KÖLN. Auf dem Parteitag der AfD in Köln hat die Bundesvorsitzende Frauke Petry eine Niederlage hinnehmen müssen. Die Delegierten setzten Petrys sogenannten Zukunftsantrag nicht auf die Tagesordnung. In dem Antrag warb Petry dafür, langfristig eine Regierungsbeteiligung anzustreben.
Sie sehe die Rolle der AfD in der kommenden Legislaturperiode in einer harten Opposition. Für die darauffolgende Legislaturperiode solle die AfD aber alles daransetzen, Seniorpartner in einer Regierungskoalition zu werden.
Ihren parteiinternen Gegnern wie dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke sowie AfD-Vize Alexander Gauland wirft sie dagegen vor, die Partei ohne demokratische Entscheidungen durch provokante Äußerungen auf einen fundamentaloppositionellen Kurs zwingen zu wollen.
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Höcke-Ausschlußverfahren nicht gestoppt
Ebenfalls nicht auf die Tagesordnung genommen wurde ein Antrag des Bremer Landesverbands, in dem gefordert wurde, das Parteiausschlußverfahren gegen Höcke zu stoppen. Dies kann als Niederlage für Petrys Gegner gewertet werden, da diese gegen einen Ausschluß des Thüringer AfD-Chefs sind.
Auch die von Petry angestrebte Antirassismusklausel wurde für die Tagesordnung zugelassen. Mit ihr sollte das Grundsatzprogramm der AfD um folgende Passage ergänzt werden:
,,Das Bekenntnis zur deutschen Leitkultur ist verbunden mit der Erkenntnis, daß im Hinblick auf die Kulturleistungen anderer Völker kein Anlaß besteht, den nationalen Gedanken zu überhöhen. Die Politik der AfD ist unvereinbar mit politik-philosophischen Strömungen, die eine totale Alternative zum pluralistischen demokratischen System entwickeln. Insbesondere ist in der AfD für rassistische, antisemitische, völkische und nationalistische Ideologien kein Platz.“
Auch sollte sich die AfD in ihrem Grundsatzprogramm zu Folgendem bekennen:
,,In der deutschen Erinnerungskultur hat die Zeit des Nationalsozialismus einen besonderen Platz, ohne daß damit eine Verengung in der Geschichtsbetrachtung einhergehen darf. Diese Geschichtsbetrachtung umfaßt die positiven, identitätsstiftenden Aspekte der deutschen Geschichte.“
In ihrer Eröffnungsrede hatte Petry gegenüber ihren parteiinternen Gegnern versöhnliche Töne angeschlagen. Die Situation sei nicht annähernd wie 2015, als es zum Richtungsstreit mit Bernd Lucke gekommen war.
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Zudem entschuldigte sie sich bei Gauland dafür, daß seine Erwähnung in ihrem Zukunftsantrag als persönlicher Angriff verstanden hätte werden können. „Das war ein Fehler.“ Sie sei bereit, den Antrag gemeinsam mit allen Beteiligten umzuformulieren.
Teils heftige Proteste gegen AfD
„Wir dürfen die Regierungsbank nicht dauerhaft den etablierten Parteien und ihren brüllenden Unterstützern da draußen überlassen“, forderte Petry. Sie habe die Hoffnung, daß die AfD gestärkt aus dem demokratischen Konflikt hervorgehe. Die Delegierten beantworteten Petrys Rede mit anhaltendem Applaus.
Im Verlauf des Sonnabends wird der Parteitag über das Programm der AfD zur Bundestagswahl diskutieren und abstimmen. Am Sonntag ist dann die Wahl eines Spitzenteams geplant. Petry hat angekündigt, nicht für ein solches Team zur Verfügung zu stehen.
Überschattet wird der Parteitag von Protesten von Parteien, Gewerkschaften und Kirchen, aber auch von linksradikalen Gruppen, bei denen bereits zwei Polizisten verletzt wurden.
Petry bedauert Entscheidung
Petry bedauerte in einem Statement die Entscheidung der Delegierten. Sichtlich um Fassung bemüht, erneuerte sie ihre Ankündigung, im Wahlkampf für keine Spitzenfunktion zur Verfügung zu stehen. Sie werde aber alles in ihren Kräften Stehende tun, die AfD im Wahlkampf zu unterstützen.
An exponierter Stelle sollten dies aber diejenigen tun, die mit der Entscheidung, die Wahl über den künftigen Kurs zu verschieben, besser leben könnten als sie. Sie habe in dieser Frage so eindeutig Stellung bezogen, daß ihr dies nicht möglich sei.
Donnernder Applaus für Meuthen
Zuvor hatte Petrys Co-Sprecher Jörg Meuthen ein Grußwort auf dem Parteitag gehalten und dabei beeindruckend viel Applaus und Zustimmung erhalten.
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„Ja, ich weiß, auch in unseren Reihen gibt es einige notorische Nörgler und Pessimisten, die über den ja tatsächlich bestehenden innerparteilichen Streit fast in Panik geraten und in jedem kleinen Rückgang von Umfragewerten unserer Partei deren bevorstehenden Niedergang beklagen“, rief Meuthen den Delegierten zu. Das seien die Zaghaften, denen eine gewisse Angst womöglich tatsächlich nicht ganz fremd sei. Diese aber frage er:
„Vor was habt ihr denn eigentlich Angst? Vor Streit? Im Ernst? Wo würden wir denn angekommen sein, wenn wir jeden Streit vermeiden und womöglich minutenlangen vorbestellten Dauerapplaus wie die Duracell-Klatschhäschen für in der Sache erbärmlich dünne Ausführungen abliefern, wie man es von etlichen CDU-Parteitagen nach Reden dieser Kanzlerdarstellerin Merkel kennt?“
Spitze gegen Petry
Offener Diskurs und auch Streit gehöre in einer jungen und vitalen politischen Partei, „die noch nicht in Apparatschiktum erstarrt ist“. Er müsse sogar sein. Die AfD solle lieber ihre Gegner so entschlossen bekämpfen, wie sie teilweise den Kampf in den eigenen Reihen führe. „Da sind unsere Gegner, deren Agieren wir so entschlossen bekämpfen müssen, wie mir mancher Kampf in den eigenen Reihen zuweilen geführt zu werden scheint.
Auf Petry gemünzt sagte Meuthen:
„Es wird wirklich allerhöchste Zeit, daß die ‚schon länger hier Lebenden‘ die schon länger hier Regierenden aus ihren Ämtern im Dienste des deutschen Volkes verabschieden, und das nachhaltig, liebe Freunde!
Ja, wir können diese Gestalten nicht mehr ertragen. Und nein, das ist keineswegs Fundamentalopposition. Sondern ja, das ist die Liebe zu unsrer Heimat und zu unserem Vaterland.
Und nein, um daran keinen Zweifel zu lassen, mit diesen Figuren werden wir keine Koalitionen eingehen. Nicht heute, nicht morgen, Niemals!
Und ja, wir werden auf diese Weise der Verantwortung für unser Land sehr wohl gerecht werden. Und zwar als bärenstarke Oppositionspartei, im Bund wie bereits in den Ländern.
Und schließlich nein, das ist keineswegs mangelnde Realpolitik. Sondern es ist das kluge und notwendige Zuwarten, bis unsere Positionen endgültig mehrheitsfähig sein werden. Ja, liebe Freunde, so machen wir das. So und nicht anders!“
Am Nachmittag betonte Meuthen, seine Rede sei keine Abrechnung mit Petry gewesen. „Jegliche Form von Polarisierung halte ich für sinnlos. Ich möchte, daß wir geschlossen in den Wahlkampf gehen.“ Er glaube nicht, daß Frauke Petry als gewählte Spitzenkandidatin in Sachsen anderen den Wahlkampf überlassen werde.
Der rheinland-pfälzische AfD-Chef Uwe Junge bemühte sich gegenüber der JF um einen möglichen Kompromiß: Petrys Antrag zur Realpolitik habe in der Diktion Fehler gehabt, aber nicht in der Intention. „Ich würde mir wünschen, daß wir in diesem Sinne noch eine Resolution beschließen. Wir müssen den Wählern nicht nur sagen, was wir wollen, sondern auch wie wir diese Politik umsetzen werden.“ (krk/vo)