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SPD-Wahlkampf: Eher tot als rot

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SPD-Wahlkampf
 

Eher tot als rot

Die tägliche SPD-Klamotte könnte sich kein Satiriker absurder ausdenken. Spitzenkandidat „Steinreichbrück“ zum Beispiel, der für soziale Gerechtigkeit oder so wirbt, aber sich für viel zu schlecht bezahlt hält. Oder der Parteichef, der mit Schnulzenstücken über seinen bösen „Nazi-Vater“ abzulenken versucht. Das personelle Elend kommt nicht von ungefähr; es ist ein Spiegelbild der inhaltlichen Leere.
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Kanzlerkandidat Peer Steinbrück: Das personelle Elend der SPD Foto: Flickr/Dirk Vonderstraße mit CC-Lizenz https://tinyurl.com/dtuu3

„Die roten Strolche“ hieß eine urkomische Comic-Serie, mit der sich das Karikaturisten-Duo Greser & Lenz vor bald zwanzig Jahren im Stil gezeichneter Kinder-Tierfabeln à la „Lurchi“ über die täppischen Versuche der damaligen SPD-Riege um „Ziege“ Scharping und „Ossi-Bär“ Thierse lustig machte, immer wieder vergeblich am Hochsitz von Oberförster Kohl zu sägen. Eine Fortsetzung ist überfällig: Im Jahr ihres 150. Geburtstags befindet sich die alte Tante SPD mal wieder in einem Zustand umfassender Rat- und Orientierungslosigkeit, der sich beinahe nur noch in satirischen Kategorien beschreiben läßt.

Das Personal für die tägliche SPD-Klamotte könnte sich keine Fernsehkomiker-Redaktion am Reißbrett absurder ausdenken. Spitzenkandidat „Steinreichbrück“ (Blogger-Spott) zum Beispiel, der angeblich Kanzler im Namen der Partei für soziale Gerechtigkeit oder so ähnlich werden will, aber vor allem mit Nörgeleien Schlagzeilen macht, daß er und seinesgleichen sowieso noch immer viel zu schlecht bezahlt würden, wobei er gerne durchblicken läßt, daß er sich mit feiner Lebensart eh viel besser auskennt als der Billigwein konsumierende Discounter-Pöbel.

Keiner will das von ihm angerichtete Desaster aufräumen

Oder der Parteichef und frühere Pop-Beauftragte, der die nächste Wahl auf gar keinen Fall selbst verlieren will und von den Pannen seines Kandidaten abwechselnd mit Schnulzenstücken über seine schwere Kindheit unter einem bösen „Nazi-Vater“ oder mit wilden Enteignungsphantasien an die Adresse der zu „Reichen“ umetikettierten Mittelschicht abzulenken versucht – die der machtbewußtere letzte SPD-Kanzler früher mal als wahlentscheidend erkannt hatte.

Von „Siggi-Pop“ Gabriels Generalsekretärin Andrea Nahles hört, sieht und liest man dagegen gar nichts mehr, außer gelegentlich Mitleid, wenn sie wieder mal von ihrem Chef gemobbt wurde. Und in den einstigen preußischen Kernlanden dürfen ein abgehalfterter Kurzzeit-Parteichef und ein müde gewordener Partymeister fröhlich als Slapstick-Länderfürsten Wowereit & Platzeck weiterkaspern, obwohl sie gerade einen ganzen Flughafen, ungezählte Milliarden und Deutschlands Ruf als Heimstatt von Präzision und Wertarbeit in den märkischen Sand gesetzt haben – weil man sie immer noch als „Zugpferde“ zu brauchen glaubt, oder auch nur weil kein anderer Lust hat, das von ihnen angerichtete Desaster aufzuräumen.

Mehr als Juniorpartner einer großen Koalition ist nicht drin

Das personelle Elend kommt nicht von ungefähr; es ist ein Spiegelbild der inhaltlichen Leere. Der altehrwürdigen einstigen Arbeiterpartei sind nicht nur ihre Milieus abhanden gekommen, sondern auch die Themen. Das trifft zwar auf die andere „Volkspartei“, die Union, im Grunde genauso zu; doch während letztere eine Kanzlerin und Parteichefin hat, die skrupellos die Programme aller Konkurrenten plündert und dadurch nicht ohne Erfolg den machterhaltenden Eindruck erweckt, sich irgendwie um alles zu kümmern, stehen die Sozialdemokraten als leicht altmodischer Gemischtwarenladen da, der auch nichts anderes im Angebot hat als alle anderen, bloß mit schlechteren Verkäufern.

Mehr als die Juniorpartnerschaft mit Kohl-Wiedergängerin Merkel scheint da nicht drin zu sein; auch Peer Steinbrück weiß allen Dementis zum Trotz wohl nur zu gut, daß er bestenfalls Vizekanzlerkandidat ist. Die größte Schwäche der Sozialdemokratie besteht paradoxerweise darin, daß praktisch alle anderen Parteien im etablierten Kartell inzwischen ebenfalls sozialdemokratisiert sind. Alle glauben sie, in unterschiedlichen Abstufungen, an den aufgeblähten, alles an sich ziehenden, Wohltaten verteilenden, enteignenden, bevormundenden und entmündigenden Gouvernanten- und Zeigefingerstaat.

Bei so vielen Kopien ist das Original entbehrlich geworden

Das Original ist darüber entbehrlich geworden. Die Lehrer und „Intellektuellen“, die sich die Brandt-SPD als Auffrischung für die bröckelnden Arbeitermilieus angelacht hatte, sind zu den Grünen weitergewandert. Die Einwanderer, die man in den Achtzigern als Ersatzproletariat entdeckt hatte, werden längst von allen anderen heftig umworben. Krippensozialismus und Einheitsschule können CDU und FDP schon fast genauso gut. Und was Sozialneidkampagnen und Aufrufe zum Steuerpogrom gegen „die Reichen“, Facharbeiter und Handwerksmeister eingeschlossen, angeht: Das kriegt immer noch keiner schärfer hin als die ungeliebten Vettern von der kommunistischen Konkurrenz.

Deutschland hat der Sozialdemokratie viel zu verdanken: den Aufsteigergeist der Arbeiterbildungsvereine, den pflichtbewußten, das Reich in schwerster Zeit zusammenhaltenden Patriotismus eines Friedrich Ebert, die Standhaftigkeit eines Otto Wels, der die Ehre über Freiheit und Leben stellte, als er vor achtzig Jahren das Ermächtigungsgesetz der Nationalsozialisten ablehnte, die gesamtdeutsche, antitotalitäre Geradlinigkeit eines Kurt Schumacher, der als Gegenspieler Konrad Adenauers Wiedervereinigung und Souveränität Deutschlands konsequent der Westbindung und europäischen Integration vorzog.

Die SPD hat dem hart arbeitenden Bürger wenig zu sagen

Zwischen diesem historischen Vermächtnis und der sozialdemokratischen Tristesse unserer Tage liegen Welten. Dem hart arbeitenden, leistungs- und aufstiegswilligen Steuerzahler hat die Partei wenig zu sagen: Sie ködert ihn mit Mindestlohn- und Höchstmieten-Dirigismus, mit Stimmungsmache gegen Banken oder Steuerhinterzieher, verschärft aber gleichzeitig seine Unterdrückung durch Steuerstaat und Euro-Rettung und denkt überhaupt nicht daran, ihn gegen die Negativfolgen von EU-Globalisierung und Masseneinwanderung zu verteidigen.

Das ist keine echte Opposition, und eine Alternative zur bestehenden Regierungspolitik ist das schon gar nicht. Die SPD täte gut daran, ihre Vor-Achtundsechziger-Gene auf Lösungen für heutige Herausforderungen zu befragen. Macht sie so weiter, kann sie sich im hundertfünfzigsten Jahr ihres Bestehens allmählich ganz in die Geschichtsbücher verabschieden.

JF 04/13

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