BERLIN. Der Tageszeitung (taz) wäre es offenbar am liebsten, wenn Thilo Sarrazin für immer verstummen würde. Anders kann eine aktuelle Kolumne des taz-Redakteurs Deniz Yücel kaum gedeutet werden.
In dem am Dienstag auf der Internetseite der taz erschienen Text schreibt Yücel in Anspielung auf die kurdischstämmige Journalistin Mely Kiak, man könne den „leider erfolgreichen Buchautors Thilo S.“ durchaus „eine lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur nennen“, auch wenn man wisse, daß dieser infolge eines Schlaganfalls derart verunstaltet worden sei.
Bereits im Mai hatte Kiyak Sarrazin in einer Kolumne für die Berliner Zeitung als „lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur“ verunglimpft. Der Deutsche Presserat hatte gegenüber der Zeitung deswegen im September eine Mißbilligung ausgesprochen. Auf eine Rüge verzichtete das Gremium aber offenbar, weil Kiyak und die Berliner Zeitung sich zuvor für die Beleidigung entschuldigt hatten.
Kolumne stößt auf geteiltes Echo
Taz-Redakteur Yücel ließ sich von der Entscheidung des Presserats jedoch nicht beeindrucken. In seiner Kolumne schrieb er, man könne „Thilo S.“ nur wünschen, „der nächste Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten“.
In ihrer Mittwochsausgabe korrigierte die taz Yücels Text mit folgender Stellungnahme: „Anders als taz2-Kolumnist Deniz Yücel in seinem furiosen Angriff auf einen gewissen Thilo S. geschrieben hat (taz vom 6. 11. 2012, Kolumne „Besser“), erlitt dieser keinen Schlaganfall. Seine rechte Gesichtshälfte ist gelähmt, weil ihm 2004 ein gutartiger Tumor an einem Nerv des Innenohrs entfernt wurde. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.“
Bei den Lesern der Zeitung stieß die Kolumne auf ein geteiltes Echo: Während ein Kommentator auf der Internetseite schrieb: „Sehr schöner Kommentar“, äußerten andere ihre Mißbilligung über Yücels Text. Die Kolumne erinnere leider an die Verteufelung von Menschen, wie sie im Dritten Reich herrschte, mahnte beispielsweise ein anderer Nutzer.
Ähnlich äußerte sich auch der Publizist Henryk M. Broder. Die Kolumne Yücels sei „unfaßbar“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. „Die taz ist und bleibt der kleine Stürmer“, kritisierte der Journalist.
Presserat liegen mehrere Beschwerden vor
Wie im Fall Kiyaks könnte Yücels Kolumne auch für die taz ein Nachspiel haben. Wie der Presserat auf Anfrage der JF bestätigte, liegen dem Gremium derzeit mehrere Beschwerden wegen des Textes vor.
Was den türkischstämmigen Journalisten zu seinen Äußerungen bewegte, ist unklar. Die taz äußerte sich gegenüber dieser Zeitung bislang nicht zu dem Vorgang. Allerdings kündigt das Blatt für den kommenden Sonnabend eine Veranstaltung Yücels mit Mely Kiyak in Berlin an. Unter dem Motto „Hate Poetry“ wollen die beiden Journalisten aus den „schlimmsten Drohmails“ und „krassesten Schimpfbriefen“ zitieren, die sie erreichten. Möglich, daß Yücel mit seiner Kolumne diesbezüglich für Nachschub sorgen wollte. (krk)