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Meinungsfreiheit: Sandsäcke aus Karlsruhe

Meinungsfreiheit: Sandsäcke aus Karlsruhe

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Grundgesetzt_im_Parlamentsviertel_Wikipedia_Michael_Rose
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Meinungsfreiheit
 

Sandsäcke aus Karlsruhe

Mit seiner Entscheidung zum Publikationsverbot für einen Rechtsextremisten verhinderte das Verfassungsgericht einen Deichbruch. Das ominöse Schlagwort vom „rechtsextremistischen Gedankengut“ hätte die Bevormundung aller ermöglich, die vom stetig verschärften Paragraphen 130 bedroht werden. Die Jakobiner in Regierung, Parlamenten und Medien weist das Verfassungsgericht nun unmißverständlich in ihre Schranken.
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Artikel des Grundgesetzes im Berliner Parlamentsviertel: Drohender Dammbruch abgewendet Foto: Wikipedia/Michael Rose

Nun hat die Meinungsfreiheit wieder einmal ihre Zuflucht dort gefunden, wohin der jakobinische Zeitgeist sie immer wieder jagt: in Karlsruhe. Endlich möchte man hinzufügen, nachdem die Wunsiedel-Entscheidung vom November 2009 den schützenden Deich der Verfassung schon gefährlich unterspült hatte.

Der Beschwerdeführer hatte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verbüßt, zu der ihn das Oberlandesgericht München wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung „Schutzgruppe“, im extremistischen „Aktionsbüros Süd“ sowie unter anderem wegen des Umgangs mit Explosivstoffen verurteilt hatte. Seine Entlassung hatte das Gericht mit fünfjähriger Führungsaufsicht und dem Verbot verknüpft, während dieser Zeit, „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten“.

Karlsruher Ohrfeige für das Oberlandesgericht

Der Verurteilte habe aus dem Strafvollzug heraus versucht, seine extremistischen, antijüdischen und amerikafeindlichen Parolen unter das Volk zu bringen, indem er Beiträge für rechtsextremistische Zeitschriften verfaßt habe. Seine „unverändert fortbestehende Gesinnung“ lasse befürchten, daß er künftig die Grenzen zur strafbaren Volksverhetzung nicht einhalten werde, zumal er früher schon zweimal nach Paragraph 130 Strafgesetzbuch (StGB) verurteilt worden sei.

Die erste Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts gab – mit den gleichen drei Richtern wie im Fall Konrad Löw – der Verfassungsbeschwerde des Verurteilten statt. Das Oberlandesgericht habe offensichtlich verfassungswidrig entschieden. Es habe noch nicht einmal erkannt, daß sein Verbot in das Grundrecht des Beschwerdeführers tief eingreife und ihm auf die Dauer von fünf Jahren seine Meinungsfreiheit praktisch abspreche.

„Rechtsextremistisches Gedankengut“ ein subjektiver Begriff

Die Weisung sei auch diffus, grenzenlos und beliebig auslegbar; „rechtsextremistisches Gedankengut“ sei ein unklarer, rein subjektiver Begriff. Der Streit darum könne nur im freien und öffentlichen Meinungskampf ausgetragen, nicht aber gerichtlich entschieden werden – hier: in strafrechtlicher Durchsetzung des verfügten Publikationsverbots.

Dieser Beschluß, der nur die traditionell-liberale Senatsrechtsprechung zu Artikel 5 Grundgesetz zitatenreich bekräftigt, scheint kein großes Aufheben zu verdienen. Aber dieser Schein trügt. Denn nach der Wunsiedel-Entscheidung, mit der das Gericht für gewisse nazistisch kontaminierte Auslassungen das Grundrecht der Meinungsfreiheit im Widerspruch zu Text und Geist der Verfassung mit einer rein politischen Begründung beiseite geschoben hatte, war völlig offen, wohin die Reise gehen würde.

Stand der Beschluß am Anfang  weiterer Konzessionen des Senats an einen „gegen rechts“ eifernden Zeitgeist, oder war er nur eine Art entlastender „Frontbegradigung“, um das übrige Gelände besser verteidigen zu können? Die vorliegende Entscheidung ist nicht die erste, die hoffen läßt, daß der Senat sich der Problematik seines Präjudizes bewußt war und dessen Folgen strikt begrenzen will.

Johannes Masing, einer der beteiligten Richter, hat kürzlich das Beratungsgeheimnis etwas gelüftet mit der Bemerkung, um die Wunsiedel-Entscheidung sei damals im Senat „hart gerungen“ worden. Den jetzt vorliegenden Fall benutzt die Kammer jedenfalls, um sich die gängige, auch bei gewissen Obergerichten beliebte Phrase vom falschen und deshalb verbietbaren „Gedankengut“ vorzuknöpfen.

Ominöses Schlagwort lädt zum Mißbrauch ein

Mit diesem konturlosen Begriffsgemisch von „rechtsextremistisch“, „rechtsradikal“ und „rechtsreaktionär“ müßten sich wohl Politik und Gesellschaftswissenschaft befassen; für Gerichte sei dergleichen aber unbrauchbar und irrelevant. „Neonazis und Meinungsfreiheit: Groteskes aus Karlsruhe“ überschreibt die Süddeutsche Zeitung ihren Kommentar zum Beschluß.

In der Tat muß man sich viel Groteskes anhören, wenn man „Neonazis“ reden und schreiben läßt. Ist es deshalb aber grotesk, sie zu lassen? Das Gegenteil ist rechtlich längst ausgepaukt und vom Verfassungsgericht hundertmal unterstrichen worden. Es geht aber um mehr. Der Beschluß nimmt eine Vokabel unter die Lupe, mit der die ganze Gesellschaft als rechtsextrem diffamiert werden kann – das ominöse Schlagwort vom „rechtsextremistischen Gedankengut“.

Dieses wandert – wie immer wieder behauptet wird –  „in die Mitte der Gesellschaft“  und infiziert diese mit einem „Weltbild“, das sich von dem der Nationalsozialisten kaum noch unterscheidet. So ist es die Bevormundung aller, die vom stetig verschärften Paragraphen 130 droht, sofern man den Jakobinern in Regierung, Parlamenten und Medien das Feld überläßt. Sie aber weist das Verfassungsgericht nun unmißverständlich in ihre Schranken.

(JF 03/11)

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