BERLIN. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen (BdV) am Dienstag in Berlin ihre weitere Unterstützung für die Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ zugesichert: „Es ist mir so wichtig zu unterstützen, was Sie auf den Weg gebracht haben“, sagte Merkel den anwesenden BdV-Funktionären.
Es gehe vor allem um das Projekt, der Geschichte der Heimatvertriebenen einen festen Platz im Gedächtnis der Deutschen zu bieten. Daran werde trotz weiterer zu erwartender Schwierigkeiten bei der Umsetzung festgehalten – nun sogar „auf einer größeren Ausstellungsfläche“, äußerte Merkel.
BdV-Präsidentin Erika Steinbach betonte in ihrer Begrüßungsansprache, sie habe immer wieder feststellen können, daß der Kanzlerin das Schicksals der Heimatvertriebenen „tatsächlich am Herzen liegt“. Sie freue sich sehr, so Steinbach, daß Merkel zum dritten Mal als Bundeskanzlerin am Jahresempfang der Vertriebenen teilnehme: „Das ist einsame Spitze im Verhältnis zu allen ihren Vorgängern, von denen keiner den Weg hierher genommen hat.“
Steinbach nahm Merkel vor Kritik in Schutz
Indirekt auf das Vorgehen von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) im Streit um die personelle Besetzung des Stiftungsrates anspielend, nahm Steinbach ihre Parteifreundin Merkel ausdrücklich gegen den Vorwurf in Schutz, sie habe es versäumt, ein Machtwort zugunsten der Vertriebenen zu sprechen: „Das letzte, was wir jetzt bräuchten, ist eine geschwätzige Bundeskanzlerin“, so Steinbach.
Der Beifall der im Berliner Opernpalais versammelten BdV-Funktionäre fiel jedoch eher verhalten aus, wenn die beiden Rednerinnen auf die Lösung des Streits um das Vertriebenenzentrum zu sprechen kamen. An diesen Stellen war spürbar, daß das Publikum die Ergebnisse weitaus kritischer bewertete als die Verbandsspitze.
Merkel war in Begleitung von Kulturstaatsminister Bernd Neumann erschienen, in dessen Zuständigkeit die Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ fällt. Im Anschluß an den Empfang sagte Neumann gegenüber Medienvertretern, er bedauere zwar das Ausscheiden mehrerer Wissenschaftler aus dem Beraterkreis der Stiftung, sei jedoch zuversichtlich, daß neue Mitglieder für das Gremium gefunden werden können.
Kein Personalstreit sondern Grundsatzdebatte
Steinbach resümierte in ihrer Ansprache, daß alle, die geglaubt hätten, der Streit um das Vertriebenenzentrum sei nach ihrem Verzicht auf einen Sitz im Stiftungsrat beigelegt, nun erkennen müßten, „daß es keine Personaldebatte gewesen ist, sondern eine Grundsatzfrage, wie wir in Deutschland mit unserer Geschichte umgehen“.
Verständnis äußerte sie dagegen für die ausländischen Historiker, die den wissenschaftlichen Beirat der Stiftung verlassen und sich dadurch aus dem „Getümmel der innerdeutschen Debatte“ zurückgezogen haben. Sie würden schließlich „in ihren Ländern auf die eine oder andere Art zur Rechenschaft gezogen“.
Steinbach wies in ihrer Rede darauf hin, daß bereits im Gesetz über die Vertriebenenstiftung deren Konzeption eindeutig festgelegt worden ist. Demnach bildeten „Flucht und Vertreibung der Deutschen im historischen Kontext den Hauptakzent“ der geplanten Ausstellung.
„In- und ausländische Geschichtsblinde“
Auch Merkel betonte, daß dabei Ursache und Wirkung der Ereignisse benannt würden: Denn „ohne die nationalsozialistische Diktatur, ohne Krieg und Holocaust hätte es die Vertreibung nicht gegeben“.
Dennoch gelte mit Blick auf die Vertreibung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg auch weiterhin, daß „Unrecht Unrecht bleibt“, so Merkel unter zustimmendem Beifall der Teilnehmer aus den Vertriebenenverbänden.
BdV-Präsidentin Steinbach erhielt besonders viel Applaus, als sie die „in- und ausländischen Geschichtsblinden“ kritisierte, denen der historische Kontext „nur als Rechtfertigung für die Vertreibungen“ diene und die die historische Wahrheit fürchteten „wie der Teufel das Weihwasser“.
Merkel lobte außerdem die Integrationsleistung der deutschen Heimatvertriebenen, ihre Bereitschaft zur Versöhnung und ihr Engagement für die Eingliederung von Spätaussiedlern in Deutschland. (vo)
> Dossier: „Der Streit um Steinbach“