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Autobiographie: Rufmord aus dem Bauch heraus

Autobiographie: Rufmord aus dem Bauch heraus

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Peter_Struck_Wikipedia_Holger_Noss
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Autobiographie
 

Rufmord aus dem Bauch heraus

Folgt man der Sarrazin-Debatte, dann muß man keine Bücher lesen, bevor man sie verreißt. Die Politiker-Autobiographievon Ex-Verteidigungsminister Peter Struck gehört tatsächlich nicht zu den lesenswerten.
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Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (SPD): Vernichtung von Karrieren „aus dem Bauch heraus“ und binnen „zweieinhalb Stunden“ Foto: Wikipedia/Holger Noß

Folgt man dem Vorbild der Bundeskanzlerin in der Sarrazin-Debatte, dann muß man keine Bücher mehr lesen, bevor man sie verreißt. Unter den aktuellen Politiker-Memoiren gehören die des ehemaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden und Verteidigungsministers Peter Struck („So läuft das: Politik mit Ecken und Kanten“) tatsächlich nicht zu den besonders lesenswerten.

Dabei wirkte Struck als Verteidigungsminister von 2002 bis 2005 gemessen an Vorgänger und Nachfolger, Scharping (SPD) und Jung (CDU), sogar leicht herausragend. Mit den Verteidigungspolitischen Richtlinien und einer weiteren Verkleinerung der Bundeswehr hat er einen ersten Wandel von der Abschreckungs- zur „Einsatzarmee“ eingeleitet. Sein Satz „Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt“ ist strategische Gebetsformel geworden und hat ihn unter seinesgleichen unsterblich gemacht.

Typischer Machtpolitiker trifft unterwürfiges Militär

„Ecken und Kanten“ findet man in den Memoiren Strucks eher nicht. Es sei, man hält Direktheit und Ruhrpott-Charme eines typischen Machtpolitikers schon für Zivilcourage. Wie alle neu antretenden Verteidigungsminister, ganz besonders die der SPD, ist er überrascht von der vorbehaltlosen Ergebenheit der Generalität („große Loyalität“) und genießt die Attribute der Macht, die der militärische Apparat suggeriert.

Nicht ohne Geschick führt er das Amt, gegen das er sich anfangs gesträubt hat, zusammen mit dem auch parteipolitisch kongenialen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Bei aller Jovialität im Umgang mit den Soldaten bleibt Struck aber auch als Inhaber des Oberbefehls immer geschickter Funktionär der SPD.

Schäbiges Verhalten gegenüber dem Fliegerhelden Mölders

Wirklich unvergessen bleibt sein schäbiges Verhalten als oberster Vorgesetzter bei der Entlassung des Kommandeurs der Spezialkräfte, Brigadegeneral Reinhard Günzel, und die Tilgung des Namens „Mölders“ vom Ärmelband des Jagdgeschwaders 74. Als ehemaliger Freiwilliger der Legion Condor im Spanischen Bürgerkrieg war das weltweit hoch angesehene Flieger-As für die vereinte Linke ein rotes Tuch.

Selbst die bekannte Distanz des streng katholischen Oberst Werner Mölders zum Nationalsozialismus half nicht. Wo Beweise fehlten, schob das Militärgeschichtliche Forschungsamt belastende Argumente nach. Struck berichtet, er sei anschließend „mit Protestbriefen überschüttet“ und bei jeder Gelegenheit kritisch angegangen worden. Das habe ihn aber nur in seiner Haltung bestärken können, die Traditionslinien aus der Wehrmacht zu kappen.

Berufliche Vernichtung Reinhard Günzels „aus dem Bauch heraus“

Das andere „Ruhmesblatt“ in Strucks Memoiren ist die Erledigung des Generals Reinhard Günzel, „aus dem Bauch heraus“ und binnen „zweieinhalb Stunden“. Was war der Anlaß? Der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann hatte 2003 zum Tag der Deutschen Einheit eine Rede gehalten, in der er sich gegen die Abstempelung der Deutschen als „Tätervolk“ wehrte. Mit gleicher (unsinniger) Berechtigung, so seine Argumentation, könne man angesichts des hohen Anteils jüdischer Funktionäre am bolschewistischen  Terror auch von einem „jüdischen Tätervolk“ reden. >>

Auch wenn die Aussage plausibel war, reichte allein die Wortbildung „jüdisches Tätervolk“ für einen gezielten Sturm der Entrüstung aus, dem schließlich auch Brigadegeneral Günzel zum Opfer fiel.  Dieser hatte von Hohmann den Text erhalten und sich dafür mit lobenden Worten bedankt. Dieses Schreiben mit dem Briefkopf „Kommando Spezialkräfte“ entdeckte ein Fernsehteam auf dem Schreibtisch Hohmanns.

Obwohl es keine Spur eines Dienstvergehens von Seiten Günzels gab, entließ Struck den unbescholtenen General ohne ernsthafte Ermittlung und ohne ihn anzuhören, beleidigte ihn in der Öffentlichkeit („ein verwirrter General“) und sorgte dafür, daß auf der Entlassungsurkunde die obligate Dankesformel für die 41 Dienstjahre fehlte.

Mit aller Niedertracht, zu der der Jurist und Parteifunktionär Struck fähig war, sollte der – gesetzeswidrige – Eindruck einer „unehrenhaften“ Entlassung in der Öffentlichkeit suggeriert werden. Die matten Versuche der Heeresführung, diesen Eindruck zu korrigieren, sieht er auch heute noch als Zeichen „falsch verstandener Kameradschaft“.

Systemkonforme Generalsriege ohne Selbstachtung und Rückgrat

Auch „beim Kommando Spezialkräfte rumorte es“, mußte Struck zugeben. Ein von ihm handverlesener Kommandeur-Nachfolger, heute mit drei goldenen Sternen belohnt, schämte sich nicht, eine streng private Verabschiedungsfeier der Truppe für den beliebten Kommandeur nach Kräften zu verhindern, allerdings vergeblich. Auch die übrigen Generalskameraden, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, verhielten sich systemkonform.

Dem unmittelbar vorgesetzten Divisionskommandeur, heute zum Befehlshaber des Einsatzführungskommandos aufgestiegen, war Günzel nicht einmal mehr einen Händedruck wert. Von der Truppe und auch der Bevölkerung erhielt General Günzel waschkörbeweise zustimmende und aufmunternde Post – aber die Generalsriege kannte ihn plötzlich nicht mehr.

Eine militärische Führung, die so wenig Selbstachtung und Rückgrat gegenüber politischer Instrumentalisierung zeigt, und die ihre Uniform mehr als Livree versteht, forderte eine respektlose Behandlung durch die politische Klasse geradezu heraus.

Vielleicht hat der langjährige Generalinspekteur Schneiderhan, der in der Causa Günzel die Mitverantwortung trug, bei seiner ebenfalls recht flotten Entlassung durch Karl-Theodor zu Guttenberg auch kurz an den von ihm im Stich gelassenen Brigadegeneral Günzel gedacht?

(JF 51/10)

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