GENF. Im Falle des 1987 verstorbenen CDU-Politikers Uwe Barschel gibt es neue Erkenntnisse. Ein Gutachten untermauert die These, daß er von Profikillern ermordet worden ist. Die Expertise des Schweizer Toxikologen Hans Brandenberger, das in der Welt am Sonntag veröffentlicht worden ist, kommt zu dem Ergebnis, daß Barschel verschiedene Gifte mit zeitlichen Abstand eingeflößt worden sind. Er kann zum Zeitpunkt der Einnahme des tödlichen Cyclobarbital gar nicht mehr handlungsfähig gewesen sein. Also können ihm nur andere Personen dieses Gift verabreicht haben.
Laut dem Bericht erhärtet sich damit der Verdacht gegen den Mossad. In seinem 1994 erschienenen Buch „Geheimakte Mossad“ hatte der ehemalige Agent des israelischen Geheimdienstes Victor Ostrovsky den genauen Ablauf der Ermordung Barschels geschildert. Dieser Tatablauf deckt sich mit den Erkenntnissen Brandenbergers. Die weiteren Fakten, die die Welt am Sonntag aufführt, sind indes nicht neu: Sie entstammen dem Buch Ostrovskys und dem vor drei Jahren erschienenen Enthüllungsbuch „Der Doppelmord an Uwe Barschel“.
Tot in der Badewanne
Barschel, der sein Amt 1987 als schleswig-holsteinischer Ministerpräsident infolge einer Bespitzelungsaffäre verloren hatte, soll damals gedroht haben, die Öffentlichkeit über geheime Waffengeschäfte der Israelis zu informieren. In Genf wollte er einen Kontaktmann treffen. Kurz darauf wurde er von einem Reporter tot in der Badewanne seines Hotelzimmers aufgefunden.
Die Todesumstände waren mysteriös und blieben es bis heute: Die zuständige Schweizer Staatsanwaltschaft arbeitete nicht sorgfältig bei der Aufklärung des Verbrechens. Die deutsche Seite soll signalisiert haben, daß sie kein Interesse an der Aufklärung besitzt, berichtete damals eine Baseler Zeitung. Erst Jahre später nahm die Kieler Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen unbekannt wegen Mordes auf. Sie wurden nach einigen Jahren ergebnislos eingestellt. Wichtige Zeugen wie Victor Ostrovsky, dessen Buch nach Verlagsangaben bereits rund 80.000mal verkauft worden ist, wurden nicht vorgeladen. Mehrere Zeugen, die etwas über den Fall hätten erzählen können, sind dem Buch „Der Doppelmord des Uwe Barschel“ zufolge ums Leben gekommen. Jetzt wird gefordert, den Fall neu aufzurollen. Dafür hat sich der frühere Chefermittler, der Leiter der Staatsanwaltschaft Lübeck, Heinrich Wille, ausgesprochen.
Neue Linie im Hause Springer?
Überraschend ist, daß mit der Welt am Sonntag ausgerechnet eine Zeitung des Axel-Springer-Verlages dem Gutachten so große Bedeutung zuweist. Der Konzern gilt als Israel-freundlich. Kritik an dem Nahost-Staat oder an den robusten Methoden seines Geheimdienstes Mossad waren dort bislang nicht zu lesen. Der Geschichte vom toten Uwe Barschel wurde im Schwesterblatt Welt im vergangenen Frühjahr als „Stoff, aus dem Verschwörungstheorien sind“, bezeichnet. Und vor einem Jahr schrieb die Welt am Sonntag noch, Barschel habe Selbstmord begangen. (rg)