MÜNCHEN. Der Streit um das Projekt Zeitungszeugen spitzt sich zu. Nachdem Bayern Strafantrag gegen die Herausgeber von Zeitungszeugen gestellt hat, weil diese trotz einer Unterlassungsaufforderung eine neue Ausgabe der faksimilierten Zeitungen von 1933 herausbrachten, fordert nun auch der Zentralrat der Juden in Deutschland eine Einstellung des Projekts, zu dessen wissenschaftlichen Beratern namhafte Historiker wie beispielsweise Sönke Neitzel oder Wolfgang Benz gehören.
Man unterstütze ausdrücklich das Einleiten rechtlicher Schritte durch die bayerische Staatsregierung, hieß es in einer Mitteilung des Zentralrats.
„Keine seriöse politische Bildung”
Generalsekretär Stephan Kramer kritisierte, so sehe keine seriöse politische Bildung aus. „Vielmehr kann man sich des Verdachts nicht erwehren, daß hier nach der Methode ‘Hitler sells’ in unverantwortlicher Weise kommerziellen Interessen Vorrang vor fundierter Aufklärung eingeräumt wird.“
Das bayerische Finanzministerium hatte die Veröffentlichung der zwischen 1933 und 1945 erschienenen Publikationen untersagt, da es die Rechte an einigen der nationalsozialistischen Zeitschriften, unter anderem dem Völkischen Beobachter und dem Angriff, besitzt.
Die Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, hatte zum Start von Zeitungszeugen das Projekt noch als „aus wissenschaftlicher Sicht völlig legitim“ bezeichnet. Als Überlebende der Schoa seien diese Texte für sie allerdings weit mehr als nur interessante historische Quellen.
„Kopiervorlage für Nachwuchsnazis”
„Sie sind Teil einer grauenvollen Wirklichkeit, der ich entrinnen konnte. Millionen anderer jüdischer Menschen war dies nicht vergönnt. Dessen sollten Sie sich als Herausgeber bewußt sein.“
Kramer sagte nun, er stelle sich die Frage, ob Deutschland angesichts des neuen Höchststandes von rechtsextremistischen Straftaten wirklich eine „Kopiervorlage für Nachwuchsnazis in jedem Zeitungskiosk“ brauche.