MÜNCHEN. Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Jürgen Rüttgers hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Lissabon-Vertrag massiv kritisiert.
Aus seiner Sicht stellten die Karlsruher Richter „alle großen europapolitischen Weichenstellungen Deutschlands in der Zukunft unter erheblichen Vorbehalt“, heißt es in einem Gastbeitrag des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten für die Süddeutsche Zeitung.
Das Urteil sei „Wasser auf die Mühlen all jener, die immer noch der Nationalstaatsidee des 19. Jahrhunderts anhängen“, schreibt Rüttgers. Die EU vereine jedoch nicht Staaten, sondern Völker. Denn: „Eine Gleichsetzung von Volk, Nation und Staat beruht auf einem überholten Denken“, heißt es in seinem Artikel. Man dürfe sich aber durch das Karlsruher Urteil nicht „in eine Sackgasse manövrieren lassen“.
„Weg zu europäischem Bundesstaat nicht verbauen“
Ausdrücklich plädiert Rüttgers für die Schaffung der „Vereinigten Staaten von Europa“. Auf dem Weg zu solch einer supranationalen Staatlichkeit sei der Vertrag von Lissabon nur ein Anfang. „Nur weil die Europäische Union heute noch ein Demokratiedefizit hat, dürfen wir uns den Weg zu einem demokratisch gestalteten europäischen Bundesstaat nicht verbauen“, gibt der CDU-Politiker zu bedenken.
Um die seiner Meinung nach durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts entstandenen Unklarheiten zu beseitigen, müsse das Grundgesetz geändert werden, fordert Rüttgers. Die Stellungnahme des stellvertretenden CDU-Vorsitzenden enthält einige Brisanz wegen des aktuellen Streits zwischen CDU und CSU über die künftige Europapolitik.
Die Christsozialen befürworten, angelehnt an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, eine erheblich stärkere Mitbestimmung von Bundestag und Bundesrat bei EU-Entscheidungen. (vo)
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