LUXEMBURG. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat heute in Luxemburg die Klage Irlands gegen das Gesetz zur Speicherung von Telefondaten (Vorratsdatenspeicherung) abgewiesen.
Das Gesetz verpflichtet europäische Telefonanbieter, sämtliche Verbindungsdaten für ein halbes Jahr zu speichern. Irland hatte gegen das Gesetz geklagt, weil es keine Rechtsvorlage dafür sah.
Nach der Argumentation der Iren dient die Vorratsdatenspeicherung der Terrorismusbekämpfung und ist damit eine Angelegenheit, der Innen- und Justizpolitik der EU. In diesen Fragen müssen Beschlüsse im Rat der EU jedoch einstimmig gefällt werden.
Machtdemonstration des EuGH
Da dies beim Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung nicht zu erwarten war, hatte der Rat das Gesetz auf der Grundlage einer binnenmarktbezogenen Harmonisierungskompetenz beschlossen, wofür eine Mehrheitsentscheidung ausreicht.
Der EuGH begründete seine Entscheidung damit, daß Vorratsdatenspeicherung erhebliche finanzielle Belastungen für die Telefonanbieter beinhalte. Deshalb seien EU-weite einheitliche Regelungen und Vorschriften notwendig.
Vor dem Bundesverfassungsgericht sind derzeit jedoch noch zahlreiche Klagen gegen die Vorratsdatenspeicherung anhängig. Nicht zuletzt deswegen beurteilte der Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek das Urteil als „Machtdemonstration“ des EuGH.
Murswiek ist zudem der Prozeßbevollmächtige des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler in der Beschwerde gegen den EU-Reformvertrag, daß der EuGH das Urteil genau an dem Tag verkünde, an dem in Karlsruhe über den EU-Reformvertrag verhandelt werde, solle laut Murswiek deutlich machen, daß das Bundesverfassungsgericht nichts mehr zu sagen habe.
Große Bedeutung für Verfahren gegen EU-Reformvertrag
Mit dem Urteil demonstriere der EuGH, daß er nicht gewillt sei, seine expansive Rechtsprechung aufzugeben, und sich dabei auch nicht vom Bundesverfassungsgericht stoppen lasse. Die Organe der EU schrieben sich mit Billigung des EuGH immer neue Kompetenzen zu, die ihnen die Mitgliedstaaten in den Verträgen gar nicht übertragen hätten.
Die Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung zeige, daß die Grundrechte des Grundgesetzes gegenüber den europäischen Richtlinien und die daraus resultierende Umsetzung der nationalen Gesetzgeber keine Anwendung mehr fänden.
Genau deswegen sei das EuGH-Urteil für das laufende verfassungsgerichtliche Verfahren zum Vertrag von Lissabon von großer Bedeutung. Denn der Vertrag könnte nur Bestand haben, wenn er der EU „klar umrissene und sachlich begrenzte Kompetenzen“ zuweise, die von deren Organen auch nicht überschritten werden könnten.