Multikulturalismus ist Glaubenssache. Je eindeutiger die statistischen Fakten und die alltäglichen Erfahrungen der ganz normalen Leute dagegen sprechen, desto verbissener bestehen die Propheten und Profiteure der multikulturalistischen Ideologie auf Anerkennung ihrer Glaubenssätze von der kulturellen und wirtschaftlichen Bereicherung durch Einwanderung aus allen Kontinenten.
Und doch mehrt sich die Zahl der Spielverderber, die wie der finnische Einwanderungskritiker Timo Vihavainen, der amerikanische Publizist Christopher Caldwell oder auch der Berliner Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin das Mythengeflecht um Einwanderung und Integration in Europa unbarmherzig demontieren.
Der unmittelbare Effekt solcher Ordnungsrufe bleibt freilich begrenzt. Denn Fakten spielen in der Auseinandersetzung mit der europäischen Einwanderungspraxis schon seit längerem nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Abwechselnd müssen die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes, auf dem mal Mangel an Fachkräften und dann wieder an Ungelernten herrschen soll, der demographische Ausgleich für die Folgen von Überalterung und Kinderarmut und die erhoffte Stabilisierung der Sozialsysteme durch junge und arbeitswillige Einwanderer als Rechtfertigung für Immigration aus Ländern jenseits der EU-Außengrenzen herhalten.
Die Auflösung der nationalen Identität wird willentlich herbeigeführt
All diese Argumente dürfen längst als widerlegt gelten. Unterschichtseinwanderung kostet die Sozialsysteme mehr, als sie ihnen jemals einbringt, und die Masseneinwanderung in die Arbeitsmärkte führt letztlich zwangsläufig zu Lohndumping durch Ausweitung des Angebots an Arbeitkraft, zum Nutzen großer Unternehmen und Konzerne und zum Nachteil der konkurrierenden einheimischen Arbeitsuchenden.
Ausgerechnet im Einwanderungsmusterland Großbritannien haben die Statistiker das den Politikern Schwarz auf Weiß vorgerechnet. Berücksichtigt man zudem kulturelle Konfliktpotentiale und soziale Folgekosten, so ist die Einwanderung insbesondere aus afrikanischen und islamischen Ländern für europäische Staaten in jedem Fall ein Minusgeschäft.
Doch nicht einmal rationale volkswirtschaftliche Überlegungen können europäische Einwanderungslobbyisten davon abbringen, mit vulgär-ökonomistischen Vorwänden großzügige Asylrichtlinien und Niederlassungsprogramme für illegale Einwanderer auf den Weg zu bringen und Einwanderungsbedarf in utopischen Größenordnungen anzumelden, die eher dem Bevölkerungsaustausch als der vermeintlichen Bevölkerungsstabilisierung dienen.
In dieser werterelativistischen Denkweise, die Menschen wie austauschbare Nummern und Produktionsfaktoren ohne Rücksicht auf ethnische und kulturelle Bindungen verschiebt, wird die Auflösung der abendländischen und nationalen Identitäten nicht nur gleichgültig in Kauf genommen, sondern willentlich herbeigeführt.
Schuldkomplexe sind nämlich der ideologische Unterbau, gewissermaßen das mythologische Fundament der Zivilreligion Multikulturalismus. In Deutschland sind diese besonders ausgeprägt durch die brisante Überschneidung mit der gefühlten „ewigen Schuld“ am Holocaust.
Anderen Europäern geht es allerdings kaum besser. In der politischen Klasse ehemaliger Kolonialmächte, Großbritannien vorneweg, manifestiert sich der Schuldkomplex als Wiedergutmachungswahn gegenüber den einst unterdrückten Kolonialvölkern. Noch am leichtesten zu revidieren ist die allgemein gutmenschliche Fernstenliebe, die insbesondere die skandinavischen Staaten eine Zeitlang veranlaßte, die Mühsal der Welt zwecks Lösung im eigenen Lande großzügig zu importieren.
Erst aus dieser Perspektive erschließt sich, warum aus einem Prozeß, der – wie die deutsche Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer – aus zunächst ökonomischen und außenpolitischen Erwägungen in Gang gesetzt wurde, ein Selbstläufer werden konnte, den die Verantwortlichen nicht einmal steuern und schon gar nicht beenden wollen, sondern tatenlos hinnehmen und allenfalls noch zu moderieren begehren.
Zur Begründung werden unausweichliche Finalitäten behauptet, wo in Wahrheit komplexbeladene Entscheidungsschwäche herrscht. Europäische Einwanderungspolitik geht den Weg des geringeren Widerstands; sie gibt dem globalen Armuts- und Arbeitsmigrationsdruck und dem offensiven Willen zur islamischen Landnahme nach und verwendet im Gegenzug um so mehr Energie darauf, Widerstände im eigenen Volk propagandistisch niederzukämpfen.
Der Preis der Feigheit ist hoch
Selten gibt dies einer so offen zu wie Wolfgang Schäuble, der sich jüngst brüstete, Deutschland sei „nie ein Land, das aussucht“ gewesen. Das wäre allerdings das klassische Verhalten eines Einwanderungslandes gewesen, das man angeblich doch gern sein möchte.
Der Preis der Feigheit ist hoch und wird in Sozialtransfers und im Verlust an politischer und sozialstaatlicher Bewegungsfreiheit entrichtet. Eine radikale Lösung hat der nordrhein-westfälische Minister Armin Laschet parat, der den Deutschen bei der „Integration“ der wahllos hereingelassenen Einwanderer dieselbe Solidarität abverlangen will wie beim Lastenausgleich mit den ostvertriebenen Landsleuten und der Wiedervereinigung mit dem von der kommunistischen Diktatur befreiten mitteldeutschen Teil von Staat und Volk.
Weiß der Mann, daß er mit dieser Gleichsetzung die nationalstaatliche Solidarität als Grundlage von Sozialsystem und Wohlfahrtsstaat abwickelt?
Die Masseneinwanderung aus nichteuropäischen Kulturkreisen, namentlich aus dem islamischen, wird Europa stärker verändern als alle Kriege und Revolutionen vergangener Jahrhunderte. Man mag darüber streiten, ob die „Vernichtung des Westens“ (Vihavainen), die „Revolution in Europa“ (Caldwell) ein unentrinnbares Schicksal ist. Besiegelt ist das von Manfred Pohl bereits konstatierte „Ende des Weißen Mannes“ allerdings erst, wenn niemand mehr dagegen aufbegehrt.
JF 45/09