WARSCHAU. Für erhebliches Aufsehen im politischen Sommerloch Polens sorgt eine zweisprachige Autokarte eines Warschauer Verlags, auf der die Grenzen von 1937 eingezeichnet sind.
„Autokarte Polen“ – das ist der Titel einer Karte im Maßstab 1:750.000, die der Verlag Demart herausgibt. Nach Verlagsangaben richtet sich das Produkt vorwiegend an deutsche Touristen, die „ihre Wurzeln suchen“. In die Karte mit dem aktuellen Straßennetz und den gegenwärtigen Staatsgrenzen sind die Grenzen der Freien Stadt Danzig sowie die östlichen Grenzen des Deutschen Reiches vom 31. Dezember 1937 eingetragen. Städte und Ortschaften auf deutschem Gebiet sind zweisprachig bezeichnet: der polnische Name oben, der deutsche darunter.
Für polnische Politiker der äußersten Rechten ist dies ein gefundenes Fressen. Der frühere stellvertretende Bildungsminister und jetzige Vorsitzende der Liga der Polnischen Familien (LPR) in Lodsch, Mirosław Orzechowski, will untersuchen lassen, ob der Verlag, der sich auf Land- und Straßenkarten spezialisiert hat, polnische Gesetze verletzt hat.Er forderte eine „entschiedene Reaktion der Staatsanwaltschaft und Aufklärung aller Umstände, die zur Herausgabe einer Karte mit Bezeichnungen polnischer Städte in deutscher Sprache“ geführt haben.
„Eine grobe Taktlosigkeit“
In einer Erklärung heißt es: „Die LPR Lodsch protestiert entschieden gegen die antipolnische Tätigkeit des Verlags, die gegen die Würde des polnischen Volkes zielt.“ Auf seiner Netzseite beschuldigt er die Verlagsleitung: „Geld stinkt für euch bestimmt nicht, denn ihr habt den Geruchssinn und den gewöhnlichen Anstand verloren, aber dafür stinkt ihr schon aus der Ferne.“
Auch unter Politikern anderer Parteien rief die Autokarte Ablehnung hervor. „Ein Faux pas“, sagte der Vorsitzende der postkommunistischen SLD in Lodsch, „eine grobe Taktlosigkeit“, fand Krzysztof Kwiatkowski, Senator der Regierungspartei PO. „Eine unnötige und unglückliche Idee“, kommentierte der Sejm-Abgeordnete Jarosław Jagiełło (PiS): „Das ist so, als ob wir in einer aktuellen Karte die historischen Grenzen Polens im Osten einzeichnen würden.“
Rafał Dylak, Vize-Vorsitzender der Verlagsverwaltung bei Demart, kann an der inkriminierten Straßenkarte nichts Besonderes finden. Schon vor zwei Jahren habe der Verlag eine ähnliche Karte der Ukraine für polnische Touristen auf den Markt gebracht. „Wir hatten auch zweisprachige Bezeichnungen verwendet, und das wurde gut angenommen.“ Deutschen Polen-Touristen, welche die Orte ihrer Kindheit oder die ihrer Vorfahren besuchten, wolle man die Reise einfach etwas erleichtern. „Niemand würde wohl darauf kommen, daß Ząbkowice Śląskie früher Frankenstein hieß.“
Die Karte verkaufe sich indes gut, und mit den „Meinungen der LPR“ befasse man sich nicht. „Falls jedoch die Leser uns wiederholt ihr Mißfallen ausdrücken, werden wir überlegen, ob wir die Autokarte nicht zurückziehen.“