Auch bei den italienischen Streitkräften hat die jahrzehntelange Abrüstung Spuren hinterlassen. „Wenn Italien morgen angegriffen würde, wäre es in der Lage, sich zu verteidigen?“ Diese Frage muß laut Verteidigungsminister Guido Crosetto zur Zeit gestellt werden. „Wenn die Antwort nein ist, müssen wir handeln“, so der Minister Ende März während einer Ansprache an die Verteidigungsausschüsse in Rom.
Crosetto machte deutlich, daß andere Länder „so handeln, als stünde ein Krieg unmittelbar bevor“ und „auch negative Szenarien“ erwartet werden müssen. „Frieden ist ein Gleichgewicht“, und das ideale Ziel sei Abrüstung, allerdings auf allen Seiten. „Wenn eine der beiden Seiten hochgerüstet ist und sich zunehmend aufrüstet, ist es schwieriger, den Frieden aufrechtzuerhalten, und das ist das Drama der Zeit, in der wir leben“, erklärte der Minister.
Während der Minister diese Aussagen erst jüngst machte, strebt die italienische Regierung seit vielen Jahren eine Erneuerung ihres Militärs an, da die Frage, ob Italien sich im Ernstfall verteidigen kann, längst mit Nein beantwortet worden ist.
Italien schaffte Wehrpflicht vor 20 Jahren ab
Die italienischen Streitkräfte bestehen momentan aus circa 165.000 aktiven Soldaten sowie 18.000 Reservisten. Von der aktiven Stärke entfallen etwa 94.000 auf das Heer (Escercito Italiano), 41.000 auf die Luftwaffe (Aeronautica Militare) und 30.000 auf die Marine (Marina Militare). Dazu muß erwähnt werden, daß die knapp 110.000 dem Verteidigungsministerium unterstellten Carabinieri (Polizei) und die 64.000 Angehörigen der Zoll-, Steuer- und Grenzschutzbehörde Guardia di Finanza Kombattantenstatus haben. 2023 lag der Frauenanteil der Streitkräfte bei etwa acht Prozent.
Zum 1. Juli 2005 wurde die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft. Heute können Männer und Frauen bis 25 Jahre freiwillig dienen. Dieser Dienst dauert mindestens zwölf Monate und kann bei Bedarf verlängert werden. Ebenfalls können sich Freiwillige für das Militärkorps des italienischen Roten Kreuzes, die Staatspolizei, die Carabinieri, die Guardia di Finanza, die Gefängnispolizei oder die Feuerwehr bewerben. Eigentlich war mit der Aussetzung der Wehrpflicht eine Sollstärke von 190.000 Männern und Frauen gesetzlich vorgesehen. Aufgrund der Eurokrise und den daraus folgenden Sparzwängen des Landes wurde entschieden, das Soll auf 150.000 zu reduzieren.

Das Jahresbudget des gesamten Militärs (inklusive Carabinieri) beläuft sich 2025 auf knapp 33 Milliarden Euro. Das sind 1,46 Prozent des Bruttosozialprodukts. Somit gehört Italien zu den Schlußlichtern bei den Verteidigungsausgaben der Nato-Länder und verfehlt deutlich das allgemein anerkannte Ziel von zwei Prozent. Die Ausgaben, ohne Berücksichtigung von Inflation, sind in den vergangenen zehn Jahren um über 80 Prozent gestiegen, 2014 lag das Budget bei lediglich 18 Milliarden Euro.
Nicht nur an Personal mangelt es
Bereits Anfang März hatten verschiedene italienische Zeitungen wie La Stampa und La Repubblica darüber berichtet, daß die Regierung bis 2033 eine Aufrüstung von über 40.000 Soldaten anstrebe. Das ist eine Aufstockung von über 30 Prozent. Allerdings gibt es hierzu keine offizielle Bestätigung aus Regierungskreisen.
Ende Januar hatte Generalstabschef General Carmine Masiello vor dem Verteidigungsausschuß der italienischen Abgeordnetenkammer deutliche Worte für die Lage der Armee gefunden. Es heißt, daß die Streitkräfte momentan eine Verfügbarkeit der Ausrüstung von unter 25 Prozent haben, da ein Großteil 30 Jahre oder älter ist und es sowohl an Personal als auch Instandhaltungsmitteln mangelt. Er betonte ebenfalls, daß die Armee nicht über die Ressourcen verfüge, um wirksam aus- und weiterzubilden. Daher befürchten Beobachter, daß auf längere Zeit kein intensiver Einsatz ausgeführt werden kann.
Masiello wies daher darauf hin, daß „eine Erhöhung der Personalausstattung angestrebt werden muß“. Insbesondere will er untersuchen, in welchen Teilen der Streitkräfte dies sinnvoll und notwendig ist, damit kein Ungleichgewicht entsteht. Ferner „muß der Bereich der Ergänzungskräfte dringend umstrukturiert werden, indem man sich in Richtung der Bildung eines Pools von schnell einsetzbaren Reservekräften entwickelt, der in der Lage ist, das bestehende Modell bei Bedarf zu erweitern, die Kräfte zu versorgen und zu regenerieren und zu den Anforderungen beizutragen, die sich aus Operationen auf nationalem Gebiet oder der Unterstützung der Bevölkerung ergeben.“ Im Ausland, so Masiello, „sind derzeit über 4.200 Soldaten im Einsatz, Tendenz steigend“. Momentan sei Italien bei „22 Operation und Missionen“ auf internationaler Ebene beteiligt.
Der „sanfte“ Druck aus den USA wirkt
Italien hat bereits mit verschiedenen Modernisierungsvorhaben begonnen und plant, massiv in die mechanisierten Landstreitkräfte zu investieren. Insgesamt ist die Beschaffung von bis zu 1.430 Gefechtsfahrzeugen in unterschiedlichen Varianten für 26 Milliarden Euro geplant. Unter anderem wurde kürzlich das deutsch-italienische Gemeinschaftsunternehmen Leonardo Rheinmetall Military Vehicles gegründet.
Dies soll den KF51 Panther als Ersatz für den italienischen Kampfpanzer Ariete sowie über 1.000 gepanzerte Fahrzeuge in verschiedenen Versionen auf Basis des Schützenpanzers Lynx für das Programm „Armoured Infantry Combat System (AICS)“ des Heeres produzieren. Hintergrund dieser Entwicklung ist nicht zuletzt auch der „sanfte Druck“ aus den USA, die den Europäern damit drohen, sie über die Nato nur noch dann zu schützen, wenn sie die Verteidigungsausgaben signifikant erhöhen.