LUXEMBURG. Der Europäische Gerichtshof hat die Kriterien für die Einstufung sicherer Herkunftsstaaten in der Europäischen Union verschärft. Wie das Gericht in Luxemburg entschied, dürfen Mitgliedstaaten ein Land nur dann als sicher einstufen, wenn die gesamte Bevölkerung darin vor Verfolgung geschützt ist. Zudem müssen die Staaten die Quellen offenlegen, auf denen ihre Einschätzung beruht.
Anlaß des Verfahrens war das sogenannte „Albanien-Modell“ der italienischen Regierung. Italien hatte beschlossen, Asylanträge bestimmter Migranten, die im Mittelmeer aufgegriffen wurden, in Zentren außerhalb der EU prüfen zu lassen. Betroffen sind laut italienischer Regelung volljährige Männer aus Ländern, die auf einer nationalen Liste sicherer Herkunftsstaaten stehen. Die Verfahren sollen in Einrichtungen in Albanien durchgeführt werden.
Homosexuelle müssen sicher sein, sagt das Gericht
Zwei Staatsangehörige aus Bangladesch, deren Anträge im Rahmen dieses Verfahrens abgelehnt worden waren, hatten dagegen geklagt. Das zuständige italienische Gericht wandte sich mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Regelung an den Europäischen Gerichtshof.
Die Luxemburger Richter machten deutlich, daß ein Herkunftsland nicht als sicher gelten darf, wenn dort etwa bestimmte Gruppen – wie homosexuelle Menschen – von Verfolgung bedroht sind. Auch politische, ethnische oder religiöse Minderheiten fallen unter diesen Schutz.
Gerichtshof kippt Asylpläne europäischer Nationen
Das Urteil betrifft nicht nur Italien. Auch in Deutschland gilt eine Liste sicherer Herkunftsstaaten. Neben sämtlichen EU-Mitgliedern enthält sie etwa die Westbalkanländer sowie Georgien, Moldau, Ghana und Senegal. Im April hatte zudem die Europäische Kommission eine EU-weite Liste vorgeschlagen. Diese umfaßt unter anderem Bangladesch, Indien, Ägypten, Tunesien und Kolumbien.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte das italienische Modell im Mai bei einem Besuch in Rom als „außerordentlich erfolgreich“ bezeichnet. Auch die Bundesregierung prüft derzeit Möglichkeiten, Asylverfahren mit Drittstaaten durchzuführen. (sv)