Zementierte Feindschaft: Alle Tischtücher zwischen der Ukraine und Rußland sind zerschnitten
Zementierte Feindschaft: Alle Tischtücher zwischen der Ukraine und Rußland sind zerschnitten
Zementierte Feindschaft: Alle Tischtücher zwischen der Ukraine und Rußland sind zerschnitten
Die Flagge der Ukraine weht in den Trümmern von Saporischschja – der Krieg zementiert die ukrainisch-russische Feindschaft Foto: picture alliance / AA | Metin Aktas
Zementierte Feindschaft
Alle Tischtücher zwischen der Ukraine und Rußland sind zerschnitten
Durch den seit mehr als einem halben Jahr andauernden Ukraine-Krieg sind die Bande zwischen Kiew und Moskau auf lange Zeit gekappt. Damit sind auch geopolitische Optionen, die mit Blick auf China wichtig gewesen wären, zunächst ausgeschlossen. Dabei hätte es auch alles anders kommen können. Eine Analyse von Ferdinand Vogel.
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„Die Vision eines Europas von Lissabon bis Wladiwostok ist gestorben“
Ich bevorzuge die Formel „von Gibraltar bis Kamtschatka“. Denn es ist die Vision des Imperialisten, der vor seinem Globus sitzt und fasziniert die „Landmasse“ betrachtet. In der auch Städte wie Lissabon und Wladiwostok sind. Bevölkert von Untertanen, und alle Untertanen sind Gleich.
Die russischen Zaren, schon seit Iwan dem Schrecklichen, hatten auch schon einen Globus. Ihre Vision war „von Kamtschatka bis Gibraltar“. Hauptstadt natürlich Moskau.
Breschnew war ein Erbe dieser Vision. Seine Panzer warteten am Fulda-Gap auf eine günstige Gelegenheit.
Der Geist des Imperialismus war schon immer international präsent. Das war nie ein Monopol der Zaren. Ein gewisser Napoleon Bonaparte (z.B.) hatte auch die Vision. Hauptstadt Paris. Inzwischen ist die Vision „von Gibraltar bis Kamtschatka“, Hauptstadt Brüssel.
Das Problem letzterer Vision (wie im Prinzip auch deren Vorgängerversionen): Im Imperium gibt es nur Untertanen, welche alle Gleich sind. Im Moment sind es die Russen, die nicht Gleich sein wollen. Die Russen sind altmodische Imperialisten. Sie setzen militärische Mittel ein, statt NGOs.
Man kann es nicht oft genug wiederholen, daß die moderne ukrainische Nation sich aufgrund des vom Russentum verschiedenen ukrainischen Volkstums bereits im 19. Jahrhundert gebildet hat. Die Ukraine wurde erst infolge der zweiten und dritten polnischen Teilung zum größten Teil russisch und zu einem Anhängsel des Großrussentums degradiiert, während sich im österreichischen Ostgalizien ein ukrainisches Nationalbewußtsein frei entfalten konnte. Es muß auch ständig wiederholt werden, daß sich der ukrainische Staat bereits im Januar 1918 unter deutschem Schutz für unabhängig erklärt hatte. Insofern haben wir Deutschen auch ein besonderes Interesse am Schicksal der Ukraine. Diese freie Ukraine sollte, so die Hoffnung der Mittelmächte, Teil einer mitteleuropäischen Gemeinschaft werden. Der unselige 9. November 1918 hat auch diese Zukunft zerstört. Die bolschewistischen Truppen eroberten kein Niemandsland, sondern einen bereits bestehenden Staat mit einer bestehenden Nation. Woher weiß man so genau, wie die Bewohner des Donbass bei einer freien Volksabstimmung wählen würden? Sprachliche Zugehörigkeit gleich Stimmverhalten, das hat schon 1919 in Schlesien und Ostpreußen nicht funktioniert.
Historische Parallelen und entsprechende Vergleiche sind immer fragwürdig. Dennoch wage ich eine Parallele zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert: Hitler wollte der Erlöser in der deutschen Geschichte sein, der die 1866 verlorene Einheit des alten Reichs durch den Anschluss Österreichs wiederherstellte. Durch seinen verbrecherischen Krieg hat er genau das Gegenteil erreicht und durch die totale Niederlage die endgültige Errichtung einer eigenen österreichischen Nation bewirkt.
Putin hat ähnliche Bestrebungen, sieht die Ukraine als Teil Russlands und will die Abspaltung rückgängig machen. Durch seinen Krieg wird er genau das Gegenteil erreichen: die endgültige Abwendung der Ukraine von der Gemeinschaft mit Moskau und die Integration dieses Landes in die westlichen Bündnissysteme.
Auch die Annexion der Krim und der anderen russischsprachigen Bezirke dürfte international jetzt keine Anerkennung mehr finden. Er ist zudem der Totengräber einer Gemeinschaft der europäisch slawischen Völker mit Russland.
Und wenn es ganz schlimm kommt, ist er auch der Totengräber der russischen Föderation.
„Die Vision eines Europas von Lissabon bis Wladiwostok ist gestorben – zur Freude Washingtons und mit erheblichem Anteil Moskaus selbst.“
Nicht nur zur Freude Washingtons. Russland hatte sich für einige Jahre hinter einer Maske versteckt und den Leichtgläubigen im Westen suggeriert, dass es keine Gefahr mehr darstelle. Dabei handelte es sich aber immer um einen gefährlichen Irrtum.
Am 24. Februar hat Russland die Maske abgenommen und wieder sein wahres Gesicht gezeigt. Nun sieht die ganze Welt das barbarische Land, welches Russland schon immer war.
Wir müssen sicherstellen, dass auch die nachfolgenden Generationen sich dieser Gefahr bewusst bleiben und nicht den gleichen Fehler machen. Russland wird auf absehbare Zeit ein Feind bleiben.
Wobei der Begriff „Freude“ im Angesicht des Leids, welches die Russen verursachen, nicht wirklich passend ist.
Völkerrechtlich ist das nicht ganz so einfach mit dem Abspalten von Provinzen. Außerdem: Würden Sie das auch so locker sehen, wenn sich morgen Bayern oder Sachsen von Deutschland abspalten würde?
Welche „Provinzen“ meinen Sie damit konkret?
Die Niederländer sind sprachlich „deutscher“ als die Ukrainer „russisch“.
Unabhängig davon, hat eine Provinz das Recht, sich aus einem Staat loszusagen – unabhängig von der sprachlich-erhnischen Verwandtschaft. In Jugoslawien gab es dafür sogar einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen Belgrad.
Die pro-russischen Bewohner im künftigen ukrainischen Machtbereich werden die kleinste Sorge Kiews sein: sie werden vertrieben. Anschauungsunterricht dazu gab es in den letzten 100 Jahren mehr als genug.
Das Schlimmste für Moskau ist, dass es sich für Generationen einen Todfeind direkt vor der eigenen Haustür, sozusagen noch in seinem Vorgarten geschaffen hat, anstatt einen Verbündeten.
Dies unabhängig davon, welches Gebiet die Geschichte der Ukraine letztendlich zuweisen wird.
Die Menschen dort sind und bleiben für Moskau verloren.
Sprechen Sie russisch, ukrainisch? Wahrscheinlich nicht, sonst würden Sie nicht solches behaupten.
Gaanz früher galt ukrainisch als Bauernsprache –
russisch die Sprache der Gebildeten – na ja, wie in unseren Landen Platt und Hochdeutsch –
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Die Flagge der Ukraine weht in den Trümmern von Saporischschja – der Krieg zementiert die ukrainisch-russische Feindschaft Foto: picture alliance / AA | Metin Aktas