ZÜRICH. Der Gründer des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, hat eine Verschwörungstheorie rund um sein Buch „Covid-19: Der große Umbruch“ („The Great Reset“) beklagt. „Jeder, der dieses Buch liest, sieht, daß es eine Analyse der Folge der Pandemie ist, die grundsätzliche Trends aufzeigt, und nicht ein Rezeptbuch für einen totalen Überwachungsstaat oder ein marxistisches System“, schreibt Schwab in der aktuellen Ausgabe der Schweizer Weltwoche.
Der Begriff „Reset“ sei von einigen Kritikern „böswillig als eine gewollte totale Umgestaltung der Gesellschaft ausgelegt“ worden. „Wir alle haben schon einmal einen Reset unseres Laptops vorgenommen und wissen, daß wir damit nicht ein völlig neues Programm einleiten, sondern daß wir dem bestehenden Programm die Möglichkeit geben, sich neu zu ordnen.“
„Nicht eine revolutionäre, neue Weltordnung, sondern eine Anpassung der Politik“
Dies brauche man bei der Gestaltung der Post-Corona-Zeit. „Nicht eine revolutionäre, neue Weltordnung, sondern eine Anpassung der Politik, um die Herausforderungen der Pandemie und deren langfristige negative Folgen zu bewältigen.“ Eine solche Verschwörungstheorie erwarte sich der in Ravensburg geborene Wirtschaftswissenschaftler auch nach der Veröffentlichung seines neuen Buchs „Stakeholder Capitalism“ in der kommenden Woche.
„Verschwörungsapostel auf der linken Seite werden sich auf das Wort ‘Kapitalismus’ konzentrieren und eine Legende daraus schmieden, daß ich letztlich eben doch ein Erzkapitalist sei, der sich mit den Stakeholdern ein Feigenblatt umhänge. Die von ganz rechts werden sich an den Stakeholdern stören und die Verschwörungstheorie anheizen, daß ich ein verkappter Marxist sei. Dabei geht es mir darum, zu zeigen, wie gesellschaftliche Verantwortung und freie Marktwirtschaft kombiniert werden können.“
Der 82jährige warnte in dem Weltwoche-Beitrag davor, daß Verschwörungstheorien die Gesellschaft infizierten und das Vertrauen in alles untergraben würden, „was etabliert ist, nicht nur in Eliten, sondern auch in Parteien und Institutionen“. Sie seien eine Gefahr für die Demokratie. Um sie zu bekämpfen, solle man sich nicht auf die Symptome, sondern auf die Ursachen konzentrieren. Dennoch müßten Meinungsfreiheit und Meinungsverschiedenheiten akzeptiert werden, „selbst wenn wir gewisse Meinungen für absurd halten. Wir dürfen auch nicht die Sprachrohre dieser Meinungsfreiheit – wie Twitter, Facebook und Co. – unterdrücken, wenn wir von der Mündigkeit und Entscheidungsfreiheit aller Bürgerinnen und Bürger ausgehen.“
„Nichts wird jemals wieder Gefühl der Normalität zurückbringen“
Das Buch „Covid-19: Der große Umbruch“ war kurz nach dem ersten Höhepunkt der Corona-Pandemie im Juli 2020 erschienen. Im Vorwort heißt es, einen Normalzustand soll und werde es nie wieder geben. „Viele von uns machen sich Gedanken darüber, wann sich die Dinge wieder normalisieren werden“, schreibt Schwab. „Die kurze Antwort lautet: nie. Nichts wird jemals wieder das ‘zerbrochene’ Gefühl der Normalität zurückbringen, das vor der Krise herrschte, denn die Coronavirus-Pandemie markiert einen grundlegenden Wendepunkt in unserer globalen Entwicklung.“
Schwab gilt als Verfechter des sogenannten Stakeholder-Kapitalismus. Ein Unternehmen soll sich demnach darauf konzentrieren, die Bedürfnisse aller seiner Stakeholder zu erfüllen: Kunden, Aktionäre, Mitarbeiter, Partner, die Gemeinschaft und sogar die Gesellschaft als Ganzes. Umwelt-, Sozial- und Governance-Erwägungen würden „für eine nachhaltige Wertschöpfung immer wichtiger werden“. Der grundlegende Zweck von Unternehmen liege „nicht mehr nur im zügellosen Streben nach finanziellem Gewinn“. Schwab wird zudem zu den Anhängern transhumanistischer Ideen gezählt: „Die Vierte Industrielle Revolution wird zu einer Verschmelzung unserer physischen, digitalen und biologischen Identität führen“, hatte Schwab 2019 in einer Rede vor dem Chicago Council on Global Affairs erklärt. (ls/ha)