BRÜSSEL. Nach einem Sturm der Empörung hat die EU-Kommissarin für Gleichberechtigung, Helena Dalli, eine interne Richtlinie zur sprachlichen Inklusion zurückgezogen. „Die aktuelle Version dient dem angedachten Zweck nicht in angemessener Weise. Der Leitfaden muß überarbeitet werden“, teilte sie am Dienstag abend mit.
In der derzeitigen Form entspreche der Leitfaden nicht den Standards ihrer Behörde, führte Dalli aus. Sie werde sich der Kritik annehmen und in einer angepaßten Fassung des Papiers auf die Einwände eingehen.
Dalli: europäische Kultur ist vielfältig
Ziel der Richtlinie sei es gewesen, Mitglieder der Kommission für die sprachliche Berücksichtigung der „Vielfalt der europäischen Kultur“ zu sensibilisieren. Dazu gehörten auch die verschiedenen Religionen und Lebenswege der EU-Bürger.
Der Leitfaden, den Dalli im Oktober präsentiert hatte und der der italienischen Tageszeitung Il Giornale vorliegt, monierte unter anderem den Begriff Weihnachtszeit. Dieser lasse EU-Bürger anderer Kulturkreise außen vor. Mit dem Begriff Weihnachtszeit seien oft die Festtage im Dezember gemeint. In diesem Monat werde aber nicht nur die Geburt Jesu, sondern auch das jüdische Lichterfest Chanukka gefeiert.
Equality mainstreaming means that all products need to take the equality dimension on board, including communication.
As we aim to lead towards a #UnionOfEquality, I am proud to launch the @EU_Commission guidelines for inclusive communication. pic.twitter.com/yEcQ3EIe7f
— Helena Dalli (@helenadalli) October 26, 2021
Richtlinie plädierte für genderneutrale Begriffe
Ebenso werde bei der Namenswahl oft auf die christliche Tradition zurückgegriffen. Bei fiktiven Beispielen seien häufig biblische Vornamen wie Maria oder Johannes zu finden. Für eine internationalere Gestaltung könnte es künftig etwa Malika und Julio heißen, schlug der Leitfaden vor.
Zudem mahnt er die häufige Verwendung von Wörtern an, die nicht geschlechtsneutral sind. Für Menschen, die sich nicht als ausschließlich männlich oder weiblich identifizierten, könne von speziellen Gender-Pronomen Gebrauch gemacht werden. Im Deutschen fordern Befürworter der Gender-Sprache beispielsweise von Feuerwehrleuten, statt von Feuerwehrmänner zu sprechen.
Aus „an den Rollstuhl gebunden“ sollte „Rollstuhl-Nutzer“ werden
Auch bei der englischen Anrede von Frauen mit Miss beziehungsweise Mrs sahen die Autoren der Richtlinie Probleme. Je nach Familienstand werde eine der beiden Versionen verwendet. Bei Männern heiße es hingegen immer Mister.
Überdies forderte der Leitfaden, sich sprachlich rücksichtsvoller auf Behinderte zu beziehen. Statt „John Doe ist behindert“ könne es heißen „John Doe hat eine körperliche Beeinträchtigung“. Auch von der Formulierung „an den Rollstuhl gebunden“ rieten sie ab. Ein besserer Ausdruck sei „Rollstuhl-Nutzer“. (zit)