Mitte September ließen Medienberichte, wonach die malische Regierung das russische Sicherheitsunternehmen der Wagner-Gruppe ins Land holen wolle, bei deutschen Politikern den Puls schneller schlagen. Noch-Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sah dadurch das Bundeswehr-Mandat für den Einsatz in dem westafrikanischen Land in Frage gestellt. Auch Frankreich zeigte sich besorgt über die mögliche Kooperation der malischen Regierung und den russischen Söldnern.
Mittlerweile hat sich die Aufregung gelegt und das Thema ist wieder aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden. Doch die Erwähnung des Namens Wagner-Gruppe warf erneut ein Schlaglicht auf die Branche der Privaten Sicherheitsfirmen, die in der Öffentlichkeit oftmals als Söldner wahrgenommen werden.
Dabei stelle die russische Wagner-Gruppe einen Sonderfall in Gewerbe der Private Military Contractors (PMC) dar, erläutert Alexander Jag im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Der 32jährige ist Büroleiter des Privaten Sicherheitsunternehmens Global AG, das derzeit unter anderem in der Ukraine an der Ausbildung dortiger Einheiten mitwirkt. „Branchenintern hat die Wagner-Gruppe nicht den Ruf einer PMC, sondern einer russischen Einheit mit PMC-Label“, lautet seine Einschätzung. Da es in Rußland nicht möglich sei, als Privatmann eine solche Firma zu gründen, gehe dies nur in enger Kooperation mit dem Kreml.
„Krieg gegen den Terror“ sorgte für Goldgräberstimmung
Über das mitunter negative Image seines Berufes macht sich Jag keine Ilusionen und gibt sich auch bei dem Reizwort „Söldner“ gelassen. „Es wäre für mich nicht beleidigend, als Söldner bezeichnet zu werden. Aber wir sind keine Söldner. Es gibt bestimmte Regeln, wann jemand zum Söldner wird“, betont er bei der Vorstellung seiner Firma. Demnach nehmen Söldner militärische Offensivaufgaben wahr. Gehe es hingegen nur um Schutz- oder Ausbildungsaufgaben, handele es sich um Private Sicherheitsdienste.
Warum es solcher Firmen auch im 21. Jahrhundert bedürfe, liege auch an der unsicheren weltpolitischen Lage, zeigt sich Jag überzeugt. „Wenn auf den Westen kein Verlaß mehr ist, auf wen denn dann überhaupt noch?“, fragt er mit Blick auf den Abzug der westlichen Staaten aus Afghanistan und der Machtübernahme durch die Taliban. Dabei sorgten US-Unternehmen mitunter durch Überreaktionen ihrer Mitarbeiter im Irak für Negativschlagzeilen und prägten das schlechte Image. Doch das waren nicht die einzigen Vorwürfe, mit denen die PMCs konfrontiert wurden und werden. Kritiker werfen ihnen vor, das staatliche Gewaltmonopol zu unterlaufen oder aus wirtschaftlichen Interessen Konflikte zu verlängern.
„Markt ist mit Einsatzkräften geflutet“
Daß der Einsatz der PMCs in Krisengebieten allerdings wichtig ist, machen einige Zahlen deutlich. 2019 gab das Pentagon rund 370 Milliarden US-Dollar für die Dienste diverser Sicherheitsunternehmen aus, berichtete der Sender CNBC. Im selben Jahr waren im Irak noch 35.000 US-Soldaten stationiert, wohingegen rund 53.000 US-Military-Contractors dort im Einsatz waren.
Daß westliche Staaten in Zukunft vermehrt auf PMCs setzen werden, glaubt Jag hingegen nicht. „Ich denke, daß die staatlichen Sicherheitsorgane aufgestockt werden.“ So würden beispielsweise auch Polizeieinheiten militärisch verstärkt. Die Nutzung von „Söldnern“ als Schattenarmee eines westlichen Staates stehe ebenfalls nicht zu befürchten. Denn dazu verfügten Staaten über ihre eigenen Geheimdienste.
Durch den Abzug des Westens aus Afghanistan ist der Markt der PMCs derzeit wieder in Bewegung geraten. Laut Einschätzung von Jag brauchen 70.000 bis 90.000 Sicherheitsdienstleister neue Aufgaben. So stünden im Moment vier große Firmen aus dem Sektor unter finanziellem Druck und suchten nach neuen Aufgabenfeldern. „Der Markt ist derzeit mit Einsatzkräften geflutet“, die zum Teil zehn Jahre Erfahrung aus dem Afghanistan-Einsatz mitbrächten.
Wer es ruhiger möge, gehe zur Polizei
Wie harsch der Umgang bisweilen mit den Männern sein kann, die für durchschnittlich umgerechnet 250 Euro Tagesgage arbeiten, verdeutlichten jüngste Beispiele rund um den Abzug aus Afghanistan. „Ich habe beobachtet, wie andere Firmen das Debakel mit ihren Sicherheitsleuten gelöst haben; im Grunde gar nicht. Sie haben denen einfach per SMS gekündigt, nach dem Motto ‘Gebt mal eure Waffen ab’. Und dann schaut mal, wie ihr wieder nach Hause kommt“, ärgert sich Jag.
Dennoch ziehe es Leute in die Branche, wie er auch anhand seines Unternehmens sehe, das seit 2011 unter dem Banner Global AG besteht. Dabei handele es sich um Personen aus aller Herren Länder, wobei es nicht nur ehemalige Polizisten und Soldaten seien. Eine bestimmte Charaktereigenschaft ist laut Jag dabei von Vorteil: „Die Private Sicherheitsbranche ist eine Branche der Exzentriker. Da müssen wir uns nichts vormachen. Leute, die einen sicheren Hafen suchen, gehen zur Polizei oder zum Militär.“