WIEN. Die Corona-Pandemie hat nach Ansicht der Migrationsorganisation ICMPD einen verstärkenden Effekt auf den Migrationsdruck nach Europa. „Die gute Gesundheitsversorgung in Europa ist ein Anziehungspunkt für illegale Immigranten“, sagte ICMPD-Chef Michael Spindelegger dem Handelsblatt.
„In der EU wird man gratis geimpft. Das ist sehr attraktiv für Flüchtlinge aus Afrika, Lateinamerika und Asien. Deshalb erwarten wir eine Zunahme der illegalen Immigration“, erläuterte der frühere österreichische Außenminister und ÖVP-Politiker. Ein weiterer Faktor sei die globale Wirtschaftskrise. „In vielen Ländern sinken die wirtschaftlichen Hoffnungen. Deshalb wird sich der Auswanderungsdruck verstärken.“
Die Migrationsagentur ICMPD (International Centre for Migration Policy Development) mit Sitz in Wien betreibt politische Grundlagenforschung und organisiert zusammen mit Staatsregierungen Migrationsprojekte. So treffen sich beispielsweise einmal im Jahr hochrangige Regierungsvertreter zur „Wiener Migrationskonferenz“. Im vergangenen Jahr trat auch Deutschland der ICMPD bei.
Je ein Drittel in Libanon und Tunesien denkt übers Auswandern nach
Spindelegger rief die EU-Staaten dazu auf, sich auf eine gemeinsame Migrationsstrategie zu einigen. „Ich bedauere, daß es noch immer keine Einigung auf eine gemeinsame Migrationspolitik in der EU gibt, obwohl die deutsche EU-Präsidentschaft alles versucht hat.“ An eine schnelle Lösung glaube er aber nicht.
Daß die Migration nach Europa wieder zunehmen könnte, ergab auch eine Umfrage Konrad-Adenauer-Stiftung. Demnach gaben im Libanon und in Tunesien jeweils rund ein Drittel der Befragten an, sie hätten in den vergangenen zwölf Jahren darüber nachgedacht, das Land zu verlassen. Die Gründe dafür seien meist wirtschaftlicher Natur. Die meisten überlegten der Erhebung zufolge, in westliche Länder, vor allem nach Europa, zu emigrieren. (ls)