Anzeige
Anzeige

„Pride“-Veranstaltungen in der US-Stadt Seattle: Ärger im „woken“ Paradies

„Pride“-Veranstaltungen in der US-Stadt Seattle: Ärger im „woken“ Paradies

„Pride“-Veranstaltungen in der US-Stadt Seattle: Ärger im „woken“ Paradies

Die LGBTQ-Parade im vergangenen Jahr in Seattle: Nun droht Ärger Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Elaine Thompson
„Pride“-Veranstaltungen in der US-Stadt Seattle
 

Ärger im „woken“ Paradies

In Seattle tobt in der „woken“ LGBTQ-Community ein heftiger Streit. Ist es diskriminierend, wenn Weiße „Reparationszahlungen“ leisten müssen, um eine „Pride“-Veranstaltung zu besuchen, Schwarze aber kostenlos teilnehmen? Die Stadt Seattle sagt nein.
Anzeige

In Seattle herrscht Streit, heftiger Streit. Im Zentrum der Auseinandersetzungen steht die Frage: Ist es tatsächlich diskriminierend, wenn weiße Personen „Reparationszahlungen“ leisten müssen, um eine Veranstaltung besuchen zu können, für Schwarze die Teilnahme aber kostenfrei bleibt? Noch vor ein paar Jahren wäre die Beantwortung sicherlich einfacher gewesen, in Zeiten von allgegenwärtigen „woken“ Glaubenskriegern stellt sich die Sache dann doch ein bißchen komplizierter dar.

Auslöser der aktuellen Debatte im Nordwesten der USA ist die alljährlich stattfindende „Capitol Hill Pride“-Parade in der Stadt. Denn auch in Seattle versammelt sich wie an hunderten weiteren Orten der westlichen Welt Jahr für Jahr die „LBGTQ“-Gemeinschaft, vor allem um sich selbst zu feiern. Böse Polizisten sind den bunten Toleranzwächtern dagegen eher ein Dorn im Auge. Gerade Seattle war lange Zeit der „Hotspot“ für heftige Ausschreitungen im Zuge der „Black Lives Matter“-Proteste. Eine Mehrheit des Stadtrats von Seattle sprach sich im vergangenen Jahr sogar für die „Abschaffung“ der Polizei aus, wenngleich diese Bemühungen derzeit ins Stocken geraten sind.

Das Feindbild aber ist geblieben: Mitte Mai kündigten die Veranstalter der „Capital Hill Pride“ in einer Pressemitteilung an, die Polizei von ihrem diesjährigen Marsch und der Kundgebung am 26. und 27. Juni im Cal Anderson Park auszuschließen. Ein Gefühl der Sicherheit böten die Behörden schon lange nicht mehr. Stattdessen wirke die Polizei auf die bunte Community „bedrohlich und manchmal gefährlich“. Gemäß den Richtlinien der Stadt ist die Polizei zwar weiterhin verpflichtet, den Verkehr für die Veranstaltung abzusperren, aber die Veranstalter gaben an, auch hier nach Alternativen zu suchen. Eine engere Zusammenarbeit mit der Feuerwehr sei geplant, wenn nötig müsse ein privater Sicherheitsdienst organisiert werden.

Du kannst nie „woke“ genug sein

Das kleine 1×1 des „woken“ Kampfs gegen die Ungerechtigkeiten dieser Welt wäre also schon mal abgehakt. Da nützte es auch nichts mehr, daß die lokale Polizeigewerkschaft in einem herrlich anbiedernden Ton traurig ihre Ausladung beklagte. Das Verbot von Polizeibeamten auf den Veranstaltungen sei „ekelhaft und diskriminierend“. Es widerspreche doch „der schönen inklusiven LGBTQ-Botschaft unserer Gemeinschaft“.

Wie aber lautet die eiserne Regel, die mittlerweile jeder verstanden haben sollte? Richtig, du kannst nie „woke“ genug sein. Die Ausgrenzung der Polizei reichte offenbar nicht aus. Denn plötzlich bekam „Capitol Hill Pride“ ein ganz anderes Problem: In diesem Jahr sorgt in Seattle eine neue „Pride“-Veranstaltung für Konkurrenz. „Taking B(l)ack Pride“ heißt das Event, das speziell für „BIPoCs“ (Black, Indigenous and People of Color) ausgerichtet wird. Die Besonderheit: Zwar seien weiße „Verbündete und Komplizen“ willkommen, allerdings müßten sie dafür Geld auf den Tisch legen.

Eine „Reparationsgebühr“ von 10 bis 50 Dollar sei nötig, um es der „schwarzen und braunen Trans- und Queer-Gemeinschaft“ zu ermöglichen, kostenfrei teilzunehmen. Das wiederum störte offenbar „Capitol Hill Pride“. Kurzerhand reichte man bei der Stadt Seattle eine Beschwerde ein. „Wir halten dies für umgekehrte Diskriminierung in seiner schlimmsten Form“, hieß es in einem offenen Brief.

Marginalisierte und verfolgte Menschen

Lorena Gonzalez (Demokratische Partei), Präsidentin des Stadtrats von Seattle und Kandidatin für das Bürgermeisteramt, zeigte sich entsetzt. Wie konnte es „Capitol Hill Pride“ tatsächlich wagen, „Gleiches Recht für alle“ zu fordern? Nach der Lektüre des Beschwerdebriefes twitterte sie entrüstet: „Ich werde nicht mehr an ‘Capitol Hill Pride’ teilnehmen.“

Die Menschenrechtskommission der Stadt nahm sich schließlich der Sache an und … lehnte die Beschwerde ab. Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe? Konnte hier niemand erkennen. Stattdessen nutzten die „woken“ Aktivisten, die keine offizielle Verwaltungsbehörde bilden, sondern lediglich von der Stadt bevollmächtigt sind, die Bühne für eine umfassende Belehrung: „Wir möchten Sie dringend bitten, die sehr reale soziale Dynamik und die Auswirkungen dieses Themas zu untersuchen“, antwortete die Kommission.

„Schwarze Trans- und queere Menschen gehören zu den am meisten marginalisierten und verfolgten Menschen innerhalb der LGBTQIA2S+ Gemeinschaft. Sie sind oft mit Scham konfrontiert, nicht nur von der cis-heteronormativen Gemeinschaft, sondern auch innerhalb der queeren Gemeinschaft insgesamt.“ Es sei toll, daß sie nun kostenlos teilnehmen könnten und „einen freien und sicheren Raum zur Verfügung“ gestellt bekämen. Abschließend hieß es von Seiten der Kommission: „Wir möchten Ihnen empfehlen, sich über das Leid zu informieren, das Sie der BIPoC-Gemeinschaft von Seattle zufügen, wenn Sie ein kostenloses Ticket für eine Veranstaltung fordern, die nicht ausdrücklich für Sie oder Ihre Unterhaltung gedacht ist.“ Es bleibt also dabei: Wie man’s auch macht, macht man es falsch. Du kannst nie „woke“ genug sein.

Die LGBTQ-Parade im vergangenen Jahr in Seattle: Nun droht Ärger Foto: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Elaine Thompson
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag