BUDAPEST. Die ungarische Regierung hat angekündigt, den Europäischen Gerichtshof wegen des EU-Parlamentsbeschlusses zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen das Land anzurufen. Bei der Abstimmung sei die erforderliche Zweidrittelmehrheit nur deshalb zustande gekommen, weil die Stimmenthaltungen nicht mitgezählt worden seien, begründete der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas laut einem Bericht der ungarischen Nachrichtenagentur MTI den Gang nach Luxemburg. „Das Ergebnis der Abstimmung ist deshalb falsch festgestellt worden, das Verfahren ist nicht durchzuführen.“
Zuvor hatte bereits die österreichische Regierung eine juristische Prüfung des Abstimmungsergebnisses eingeleitet. Außenministerin Karin Kneissl gab auf Bitten von Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) eine entsprechende Untersuchung beim juristischen Dienst des Europäischen Rates in Auftrag
Streit um Enthaltungen
Bei der Abstimmung vergangene Woche hatten 448 Parlamentarier für die Einleitung eines Verfahrens votiert. 197 stimmten dagegen. Streit war daraufhin über die Frage entstanden, wie die 48 Enthaltungen zu bewerten seien.
Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban steht auf dem Standpunkt, daß diese als abgegebene Stimmen hätten zählen müssen und somit die notwendige Zweidrittelmehrheit nicht erreicht worden sei. Unter Berücksichtigung der Enthaltungen stimmten nur knapp 65 Prozent der Parlamentsmitglieder mit „Ja“. (tb)
Unterdessen hat das Anti-Folter-Komitee des Europarats der ungarischen Regierung Mißhandlungen von Flüchtlingen vorgeworfen. Dabei stützt sich das Komitee auf Aussagen von illegalen Einwanderern, die im vergangenen Herbst von den ungarischen Behörden nach Serbien zurückgeschickt wurden.
Ungarische Regierung bestreitet die Vorwürfe
Dem Bericht zufolge seien auch Polizeihunde ohne Maulkorb auf die Menschen gehetzt worden. Die ungarische Regierung wies die Vorwürfe zurück. Sie beruhten nicht auf Tatsachen, sondern seien „eher politisch als professionell“ motiviert. (tb)