„Das hier ist der Big Bang der institutionellen Reformen. Die Menschen aus Venetien gewinnen, ihr Gemeinschaftssinn gewinnt, der Wille, Herr im eigenen Haus zu sein, gewinnt.“ Luca Zaia, der Präsident der Region Venetien, findet deutliche Worte für das gestrige Ergebnis. Beim Autonomiereferendum stimmten 98 Prozent der Veneter am Sonntag für eine größere Autonomie von Rom. Mit 57 Prozent lag die Wahlbeteiligung über dem festgesetzten Quorum von 50 Prozent.
In der benachbarten Region Lombardei verlief die Wahl ähnlich. Amtskollege Roberto Maroni konnte ein ähnliches Ergebnis verkünden: 95 Prozent der Lombarden stimmten mit Ja. Allerdings gingen hier nur etwa 38 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen. Probleme mit der elektronischen Abstimmung verzögern das Endergebnis weiterhin. Anders als in Venetien gibt es in der Lombardei jedoch kein Quorum.
Gesamtitalienische Föderalisierung
Zaia und Maroni gehören beide der Lega Nord an. In den 1990er Jahren setzte sich die Partei noch für eine Sezession des reichen italienischen Nordens ein, hat sich aber mittlerweile gemäßigt und will eine gesamtitalienische Föderalisierung vorantreiben. Beide Regionalpräsidenten wollen eine größere fiskalische Autonomie.
Ein Viertel aller Italiener lebt in den beiden Regionen (Lombardei: zehn Millionen, Venetien: fünf Millionen Einwohner). Aus Mailand fließen jährlich 54 Milliarden Euro nach Rom, aus Venedig 15,5 Milliarden. Der Nordosten Italiens ist wirtschaftliches und finanzielles Standbein der römischen Zentralregierung.
Anders als beim katalanischen Unabhängigkeitsreferendum in Spanien billigt Italien die beiden regionalen Autonomiereferenden. Die Ergebnisse haben jedoch keine rechtliche Bindung und rein beratende Funktion. Dem Charakter nach entsprechen sie daher Volksbefragungen. Für die Lega Nord bedeutet das klare Votum hingegen einen Wählerauftrag, den es nun in Rom durchzusetzen gilt. „Jetzt müssen die uns zuhören“, meint der Lombarde Maroni. Man besitze ein „historisches Mandat“.
Signal für die Parlamentswahlen
Auch abseits der Debatte um Autonomie und Föderalismus haben die Abstimmungen Bedeutung: sie gelten als Signal für die nationalen Parlamentswahlen im kommenden Frühjahr. In den Umfragen liegt die Partei vor Silvio Berlusconis Forza Italia. Der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini, liegt im Clinch mit dem ehemaligen Premier. Berlusconi hofft immer noch auf die Kandidatenkür im rechten Lager, obwohl Salvinis Partei stärker ist. Das positive Ergebnis gibt Salvini Rückenwind.
Der Wahlmodus und die Kosten sorgten für Kritik an den Regionalregierungen. Die Lega Nord, die um norditalienisches Geld kämpft, ließ es sich 23 Millionen Euro kosten, um die Volksabstimmung in der Lombardei abzuhalten. Die neu gekauften Tablets waren dabei nicht nur teuer, sondern sorgten für Schwierigkeiten bei der Wahl und der Auszählung. Die elektronischen Wahlergebnisse aus der Lombardei trafen später ein als die traditionell ausgezählten Stimmen in Venetien. Die Tageszeitung Repubblica sprach von einem „elektronischen Flop“.