LONDON/BERLIN. Der britische Entwicklungsökonom Paul Collier hat die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als „kolossalen Fehler“ und „moralisch verwerflich“ kritisiert. Wäre es ihr Ziel, Kriegsflüchtlinge in Sicherheit zu bringen, „dann sollte sie Flüge aus den Lagern in Jordanien und dem Libanon organisieren“, sagt er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Momentan würde unkoordiniert geholfen und noch dazu den Falschen, bemängelte Collier die Asylpolitik. „Junge Männer, wohlhabend genug, um Tausende von Euro an Schlepper zu zahlen“, machten einen Großteil des Ansturms aus. Da entscheide nicht humanitärer Anspruch, sondern das Recht des Stärkeren.
„Wer nicht unterwegs ertrinkt, darf bleiben“
Auch in anderer Hinsicht sei die Einladung der Kanzlerin an alle Einwanderer moralisch verwerflich: „Sie hat die Menschen quasi aufgefordert, nach Europa zu schwimmen“. Das sei russisches Roulette: „Such dir einen Schlepper und hoffe, daß dein Boot nicht untergeht.“ Hinzu käme noch, daß die Auswanderer später beim Wiederaufbau Syriens schmerzlich fehlen würden.
Merkel nehme Ländern wie dem Libanon und Jordanien, die an Krisenregionen grenzen, die Verantwortung ab, Flüchtlinge aufzunehmen, sagte Collier. Statt dessen sollte sie dafür sorgen, daß für die Länder kein finanzieller Nachteil entstehe. Der Entwicklungsökonom schlug vor, zu investieren, Arbeitsplätze zu schaffen und den europäischen Markt für die Produkte dieser Länder zu öffnen. Deutschland habe jedoch die Hilfen für Jordanien vor zwei Jahren sogar halbiert. Natürlich nähmen diese armen Länder nun kaum Flüchtlinge auf, aus Angst, ihren Bürgern zu schaden.
Multikulti ist nach wie vor gescheitert
Insgesamt gelte, daß Integration um so schwerer werde, je größer und homogener die Gruppe der Einwanderer sei. „Die meisten Menschen geben sich lieber mit denen ab, die ihnen ähnlich sind“, sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Dies bedeute einen beschwerlichen Weg der kulturellen Integration. „Deutsche Arbeitsdisziplin, Kooperationsfähigkeit, das sind alles kulturelle Errungenschaften, die man sich aneignen muß. Um das zu tun, muß man es wollen“, wies Collier auf die Probleme in „Multikulti-Gesellschaften“ hin.
Merkel hatte dieses Gesellschaftsmodell 2010 für Deutschland als gescheitert erklärt. „Ich sehe nicht, warum sich das auf einmal geändert haben sollte“, kritisierte Collier den politischen Richtungswechsel in der Asylpolitik. (mv)