Ajdabiya, 14. Juni 2011
Alles wirkt normal in Ajdabiya. Die Frontstadt im Osten Libyens hat die Kriegsereignisse vom März und April hinter sich gelassen. Strom und Wasser laufen. Die meisten Flüchtlinge sind zurück. Unter dem strahlendblauen Himmel warten die zusammengetragenen Trümmer der Grad-Angriffe auf ihren Abtransport. Die Kämpfe mögen Ajdabiya verlassen haben – doch sie bleiben in Hörweite.
Aus 40 Kilometer Entfernung entlang der Mittelmeerstraße Richtung Westen ist Kanonendonnern zu vernehmen. Kein Journalist darf mit eigenen Augen sehen, was sich derzeit vor Ort in der Wüste abspielt. Die 40 Verletzten, die am Montag in das Zentrale Krankenhaus eingeliefert werden, zeugen jedoch davon, daß es blutig zugeht. Drei Rebellen kann nicht mehr geholfen werden. 22 weitere sind in der Wüste zurückgeblieben. Sie gerieten in einen Hinterhalt.
„Zwei Fahrzeuge der Gaddafi-Truppen haben die weiße Fahne gehißt. Als unsere Truppen eintrafen, sind ohne Vorwarnung 15 weitere bemannte Fahrzeuge aufgetaucht, und die Soldaten haben das Feuer eröffnet“, sagen die aufgebrachten Ärzte. Darüber was sich heute an der diplomatischen Front getan hat, machen sich die finster dreinblickenden Rebellen in Tarnuniform keine Gedanken. Auf den Gängen bangen sie um ihre Kameraden. „Ob Deutschland uns anerkennt oder nicht, ändert nichts daran, daß unsere Brüder weiter auf dem Schlachtfeld sterben“, sagt einer von ihnen. Auf dem so genannten Freiheitsplatz sieht man dies anders. Bis spät in die Nacht halten sich noch einige Hundert, meist Jugendliche, hier auf. Auf dem Rednerpult wird „die neue Einstellung“ der deutschen Regierung begrüßt. „Es kommt sehr spät, aber besser als nie“, meint ein Mann mittleren Alters aus der Menge heraus.
Die Töne aus der Bevölkerung, man werde künftig die besten Geschäfte nur noch mit Frankreich machen, waren schon vor Wochen leiser geworden. Das Ansehen der Bundesrepublik hatte nur oberflächlich Schaden genommen, als sich die Berliner Regierung weigerte, die UN-Resolution 1773 zu unterstützen. „Ihr Deutsche habt eben anderes zu bieten – Ballack und Schumacher, BMW und Mercedes.“
Hier geht es zum letzten Billy-Six-Bericht aus Libyen.