TÜBINGEN. Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat mit der Darstellung von Fakten für einen Eklat im Wahlkampf um das Rathaus der baden-württembergischen Stadt gesorgt. Bei einer Veranstaltung am Mittwoch sagte der Grüne, der mit Corona-Maske auftrat, auch sieben Jahre „nach dem großen Flüchtlingszugang 2015 arbeitet die Hälfte der arbeitsfähigen Geflüchteten nicht“. Dies legte ihm die SPD-Kandidatin Sofie Geisel als „Hetze“ aus. Palmer, der nach einem Ausschlußverfahren bei den Grünen als parteiloser Kandidat zur Wiederwahl antritt, schrieb nun auf Facebook: „Die Rassismus-Vorwürfe kamen schnell hinterher.“
Der 50jährige, der seit 15 Jahren Oberbürgermeister der 92.000-Einwohner-Stadt ist, bekräftigt nun seine Aussagen anhand der Zahlen für Tübingen. Demnach waren zuletzt 402 als „Flüchtlinge“ eingewanderte Ausländer ohne Beschäftigung. Mit Beschäftigung waren 385 Personen. Allerdings werden dabei auch Sprachkurse und Ausbildungen mitgezählt. Palmer: „Einen voll sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz haben sogar nur 26%.“ Bei diesem Personenkreis gehe es nur um die erwerbsfähigen Personen von 18 bis 65 Jahren.
Boris Palmer: „Tatsachen anzusprechen, ist niemals Hetze“
„Die Tatsachen anzusprechen, wie sie sind“, schreibt Palmer, „ist nach meiner Auffassung niemals Hetze.“ Wer dieses Problem nicht sehen wolle, „tut auch den Geflüchteten nichts Gutes“. Die fehlende Integration in das Berufsleben „begünstigt das Entstehen von Parallelgesellschaften und dauerhafter Abhängigkeit von Transferleistungen.“ Dies schüre soziale Konflikte und überfordere auf Dauer den Sozialstaat. Integration braucht Arbeit.
Palmer hält die geringe Beschäftigtenquoten unter den Einwanderer der sogenannten „Flüchtlingswelle“ für beunruhigend: „In unserem Land werden über alle Qualifikationsniveaus händeringend Leute gesucht, die Arbeit übernehmen. Wir haben einen Rekord von einer Million offenen Stellen. Nicht einmal in der Raumreinigung findet man genug Bewerber.“ Der OB wehrt sich, daß das an „fehlender Förderung“ liegen könne: „Sprachkurse gibt es für alle. Wir haben 25 Leute eingestellt, die sich nur um Geflüchtete kümmern. Jeder Geflüchtete hat einen Integrationsmanager.“
„Wir fordern zu wenig“
Der Vergleich mit den USA zeige, was Deutschland fehle. Dort arbeiteten nahezu alle Migranten schon nach einem Jahr: „Weil man sich anders finanziell nicht über Wasser halten kann. Wir fordern zu wenig. Und wer etwas einfordert, wird der Diskriminierung beschuldigt. Es fehlt einfach der Anreiz, eine Arbeit aufzunehmen.“
Er wisse das auch aus vielen Gesprächen. Ein Malermeister, offenbar Migrant, habe ihm „ganz direkt“ gesagt, er bleibe lieber bei seinen Kindern: „Denn er hatte einen Vermieter gefunden, der ihm ein Haus günstig zur Verfügung stellt, er hatte ein Auto und sieben Kinder. Sein Einkommen war damit so groß, daß er es vorzog, zu Hause zu bleiben und nicht zu arbeiten.“
In Tübingen wird am 23. Oktober ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Dabei tritt Boris Palmer auch gegen Ulrike Baumgärtner an, die die Grünen gegen ihn aufgestellt haben. (fh)