HAMBURG. Im Schließfach des früheren SPD-Funktionärs Johannes Kahrs haben Beamte 214.800 Euro und 2.400 US-Dollar in bar gefunden. Sie ermitteln wegen des Steuerbetrug-Skandals, in dem Kanzler Olaf Scholz (SPD) eine Rolle spielen könnte. Der gerät nun in Bedrängnis. Bisher hat sich der ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs in der Affäre darauf zurückgezogen, sich nicht erinnern zu können. Doch jetzt wird es für den Kanzler ungemütlich.
Kahrs, der ehemalige Chefhaushalter der SPD-Bundestags-Fraktion, hat bereits eine Hausdurchsuchung hinter sich. Dabei fanden die Ermittler offenbar den Mietvertrag über das Schließfach bei der Hamburger Sparkasse. Bereits am 28. September 2021 sei es dann mit Hilfe eines Durchsuchungsbeschlusses geöffnet worden, sagte der in der Affäre seit Jahren recherchierende Journalist Oliver Schröm dem Tagesspiegel. Sein Fazit: „Für Olaf Scholz wird es noch sehr unangenehm.“
„Sprengstoff für den Bundeskanzler“
CDU-Generalsekretär Mario Czaja erhöht den Druck: „Der Bundeskanzler kann sich jetzt nicht mehr durch Aussitzen aus der Affäre ziehen. Scholz muß Kahrs dazu auffordern, die Herkunft des Geldes zu belegen“, sagte er dem Tagesspiegel. Der frühere linke Finanzexperte, Fabio de Masi, der sich in die Cum-Ex-Affäre um die Hamburger Warburg-Bank seit Jahren eingearbeitet hat, spricht auf Twitter von einer „Bombe“ und nennt das Schließfach „Sprengstoff für den Bundeskanzler“. Seine Vermutung, warum der Politiker so viel Bargeld an einem diskreten Ort lagerte: „Offenbar wollte Kahrs keine elektronische Datenspur auf seinem Konto.“
Worum geht es? Bei Cum-Ex-Geschäften werden Aktienpakete rund um den Dividenden-Stichtag so hin- und hergeschoben, daß sich die Akteure Steuern mehrfach erstatten lassen kann. Dieses dubiose, mutmaßlich betrügerische Jonglieren betrieb auch die Warburg-Bank. Das Hamburger Finanzamt aber verzichtete mit Ablauf der Verjährungsfrist 2016 darauf, daß das Geldinstitut die 47 Millionen Euro ergaunerter Steuern zurückzahlte. Das Bundesfinanzministerium verlangte später vom Hamburger Senat, weitere 43 Millionen bei der Bank einzufordern. Eine solche Weisung ist ungewöhnlich und machte deshalb seinerzeit Schlagzeilen.
Sind Schmiergelder geflossen?
Ein Untersuchungsausschuß klärt seit Jahren, welche Rolle dabei der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz spielte. Es steht der Verdacht im Raum, daß Scholz Einfluß auf die Finanzbehörden genommen hat, auf die Rückzahlung zu verzichten. Die Frage lautet spätestens seit dem Bargeldfund bei Kahrs, ob dafür Schmiergelder geflossen sind.
Scholz beruft sich bisher darauf, sich an die Inhalte mehrerer Gespräche mit den Bankern, die unter Mitwirkung von Kahrs in den Jahren 2016 und 2017 stattfanden, nicht erinnern zu können. Als damaliger Finanzsenator stand der heutige Regierungschef des Stadtstaates, Peter Tschentscher (SPD), ebenfalls in der Verantwortung. Am 19. August soll Scholz ein zweites Mal vor dem Untersuchungsausschuß der Hamburger Bürgerschaft aussagen. Dies dürfte unter den aktuellen Umständen eine brisante Sitzung werden.
CDU: „Dunkler Hintergrund“ des Bargeldes
Der jetzt erst durch einen Bericht der Bild-Zeitung bekannt gewordene Bargeldfund bei Kahrs, der der AfD im Bundestag einst entgegenschleuderte: „Haß macht häßlich“, bringt Bewegung in den Skandal. Selbst Sozialdemokraten sind erschüttert. Der Bundestagabgeordnete Erik von Malottki twitterte: „Das Auffinden von 200.000 Euro im Schließfach von Johannes Kahrs ist sehr besorgniserregend. Kahrs sollte gegenüber der Öffentlichkeit und der SPD begründen, warum er so eine hohe Summe Bargeld lagert. Mir fehlt die Phantasie, daß es dafür eine rechtlich saubere Begründung gibt.“
Die CDU fordert nun von dem einst omnipräsenten, nun aber aus der Öffentlichkeit verschwundenen, unter Verdacht der Beihilfe zur Steuerhinterziehung stehenden Kahrs Aufklärung. Diese habe die „Herkunft der 200.000 Euro jetzt lückenlos“ aufzuklären. „Anderenfalls muß vermutet werden, daß diese Gelder einen dunklen Hintergrund haben.“ (fh)