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Nordkirche auf der Kippe

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Die Kirchenoberen sind in ihrer Euphorie kaum zu bremsen: „Mit einer gemeinsamen Kirche im Norden für die evangelischen Christen in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein wird eine der bedeutendsten Entscheidungen zur Neuordnung des Protestantismus in Deutschland getroffen“, stellte der schleswigsche Bischof Gerhard Ulrich Anfang des Jahres fest. An der Basis der drei bisher selbständigen Landeskirchen sieht man manches kritischer.

Nun haben die Kirchenparlamentarier das Wort. Am Wochenende tagen parallel die Synoden der drei norddeutschen evangelischen Landeskirchen, um über die geplante Fusion abzustimmen. Jeweils zwei Drittel der Synodalen von Nordelbien, Mecklenburg und Vorpommern müßten dem Vertrag zustimmen, damit 2012 die drei einzelnen Landeskirchen zur Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland vereinigt werden können. Lehnt eine der Synoden die geplante Fusion ab, wäre das gesamte Vorhaben gescheitert. Ausgeschlossen ist das nicht: Einer Meldung der Lübecker Nachrichten zufolge sieht der stellvertretende nordelbische Präses Thomas Baum die Chancen für eine Ratifizierung des Fusionsvertrags bei 50 Prozent.

Die Altersstruktur der Kirchenmitglieder, das Einbrechen der Mitgliederzahlen und der daraus resultierende Rückgang der Kirchensteuereinnahmen haben die Debatte über eine mögliche Fusion maßgeblich beeinflußt. Die Senkung von Personal- oder Verwaltungskosten ist ein wesentliches Argument der Befürworter. Sofern die Vereinigung beschlossen wird, soll ein neuer gemeinsamer Landesbischof auf einer ersten Landessynode 2012 gewählt werden.

Der am 5. Februar dieses Jahres im Ratzeburger Dom unterzeichnete Fusionsvertrag sieht vor, daß Schwerin Dienstsitz des gemeinsamen Landesbischofs werden soll, während das Kirchenamt seinen Hauptstandort in Kiel nehmen wird. Diese Entscheidung hatte in Lübeck für Verärgerung gesorgt; der bisherige Sitz der nordelbischen Kirchenverwaltung geht somit leer aus. Auf Widerspruch stößt das Vorhaben auch in den Reihen der Beschäftigten: So lehnt etwa die Gewerkschaft der Kirchenmitarbeiter den Fusionsvertrag wegen der darin enthaltenen Tarifregelungen ab.

In den beiden kleineren Landeskirchen geht die Sorge um, angesichts der zahlenmäßigen Übermacht der nordelbischen Kirche an den Rand gedrückt zu werden. Die nordelbische Landeskirche ist mit ihren 2,1 Millionen Mitgliedern deutlich dominierend; Mecklenburg und Vorpommern kommen zusammen auf lediglich 300.000 Kirchenangehörige. So hätten die Mecklenburger in der Synode einer künftigen Nordkirche nur elf von 156 Stimmen. In der pommerschen Landeskirche gibt es auch aus konfessionellen Gründen Bedenken. Denn im Gegensatz zu den anderen beiden gehört sie nicht zu den lutherischen Landeskirchen, sondern zu den sogenannten unierten. Die Bezeichnung leitet sich ab von der Union aus Lutheranern und Reformierten.

In der EKD waren in jüngster Vergangenheit zwei Fusionen erfolgreich: 2004 vereinigten sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg und die Landeskirche schlesische Oberlausitz. Im Jahr 2007 wurde die Vereinigung der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Thüringen mit der Kirchenprovinz Sachsen zur Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM) beschlossen, die offiziell seit dem 1. Januar 2009 besteht. Auch in der EKM sind das Kirchenamt (Erfurt) und der Bischofssitz (Magdeburg) an zwei verschiedenen Standorten. Trotz der Fusion bleiben konfessionelle Unterschiede bestehen. Da die thüringische Landeskirche lutherisch, die Kirchenprovinz Sachsen dagegen uniert war, werden die Pfarrer je nach Gemeinde bei ihrer Ordination auf unterschiedliche Bekenntnisschriften verpflichtet. Zur EKM gehören etwa 910.000 Mitglieder.

Auch in Niedersachsen steht das Thema Fusion auf der Tagesordnung. Das Bundesland stellt insofern ein Kuriosum dar, weil auf seinem Gebiet fünf Gliedkirchen der EKD bestehen: die vier Landeskirchen Hannover, Braunschweig, Oldenburg sowie Schaumburg-Lippe, und außerdem noch die Reformierte Kirche. Die Reformierte Kirche ist zwar keine Landeskirche und umfaßt auch Gemeinden, die außerhalb Niedersachsens liegen, ihr Schwerpunkt liegt jedoch im Emsland und Ostfriesland, wo sich auch der Sitz des Kirchenpräsidenten befindet. Die schaumburg-lippische Landeskirche ist mit 62.000 Mitgliedern eine der kleinsten, die hannoversche Landeskirche mit über drei Millionen Mitgliedern die größte in Deutschland.

Angeregt hatte die aktuelle Fusionsdebatte der braunschweigische Landesbischof Friedrich Weber. Dies ist insofern erstaunlich, da Weber bisher als einer der vehementesten Befürworter des Erhalts landeskirchlicher Identität galt. Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann sprach von der Fusion als einem sinnvollen Ziel, wenn dabei die jeweiligen Eigenarten bewahrt bleiben könnten. Grundsätzlich befürwortet dies auch Jürgen Johannesdotter, Landesbischof von Schaumburg-Lippe. Für mehr Gemeinsamkeit plädierte ebenfalls der reformierte Kirchenpräsident Jann Schmidt, während sich der oldenburgische Landesbischof Jan Janssen eher zurückhaltend äußerte.

Laut Landesbischof Weber könnte die Vorbereitungsphase der Fusion bis zu zwanzig Jahre dauern. Bereits vor 38 Jahren wurde von diesen fünf Kirchen die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen mit dem Ziel gegründet, eine Vereinigung vorzubereiten. Die Anzahl der Bischofsstellen soll jedoch nach Meinung der Kirchenoberen auch in einer „Niedersachsen-Kirche“ nicht reduziert werden.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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