Frank-Walter Steinmeier, Außenminister und SPD-Kanzlerkandidat, hatte Kanzlerin Angela Merkel schon vor Wochen vor der Annahme gewarnt, sie könne „im Schlafwagen zur Macht reisen“. Und in der CDU, wo jede offene Kritik an der Chefin vermieden wird, hieß es nur hinter vorgehaltener Hand, das Wegducken vor allen wichtigen Themen und Vermeiden von Positionen könne nicht gutgehen.
Es ging nicht gut. Bei den drei Landtagswahlen erlebte die CDU in Thüringen und im Saarland ein Desaster. Nur in Sachsen konnte sie sich mit Ministerpräsident Stanislaw Tillich an der Spitze einigermaßen stabil halten und wird in Zukunft wohl mit der FDP statt wie bisher mit der SPD regieren.
Schon am Wahlabend hatte die CDU-Führung in Berlin sichtlich Mühe, das Ergebnis so zu drehen, daß es wie ein Erfolg aussah. Merkel ließ sich bei der Wahlparty im Konrad-Adenauer-Haus erst gar nicht blicken. Generalsekretär Ronald Pofalla wies darauf hin, seine Partei sei in allen drei Ländern stärkste politische Kraft und habe damit den Auftrag zur Regierungsbildung. Da sich dieser Auftrag mit den zweistelligen Verlusten im Saarland und in Thüringen nicht verbinden ließ, wechselte Chefin Merkel am Dienstag die Position. Sie erklärte, die Wahlen im Saarland und in Thüringen seien kein Test für die in vier Wochen stattfindenden Bundestagswahlen gewesen. „Insgesamt sind wir auf einem guten Weg“, empfand die Kanzlerin, die übrigens „nicht in Lagern denken“ will.
Die CSU hielt sich mit Bemerkungen zurück. Zu groß ist die Sorge, in Bayern selbst abzustürzen, so daß Parteichef Horst Seehofer Merkel und der CDU nur den Rat gab, jetzt „Vollgas“ zu geben. Nörgelnd zeigte sich der Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, der den bisherigen Wahlkampf als „inhaltlich profillos“ bewertete. Und Hessens Ministerpräsident Roland Koch weiß: „Es war immer klar, daß diese Bundestagswahl knapp wird.“
Eine neue Bescheidenheit führte bei der SPD am Wahlabend zu Jubelszenen, obwohl keines der drei Länderergebnisse als zufriedenstellend bezeichnet werden kann. „Schwarz-Gelb ist nicht gewollt in diesem Land“, gab Steinmeier unter heftigem Beifall als Losung aus. Und Parteichef Franz Müntefering deutete die Niederlagen der CDU so: „Es läßt sich was bewegen. Es läßt sich was verändern.“
Der Bundes-SPD läßt ihren Landesverbänden freie Hand, ob sie mit der Linkspartei koalieren oder nicht. Dahinter steckt das Kalkül, rot-rote Bündnisse (bisher nur in Berlin) über die Länder auszutesten und den Bürgern als Alternative zu präsentieren. Spätestens 2013 kann das Projekt dann auch auf Bundesebene starten.
Trotz ihrer Schwäche befinden sich die Sozialdemokraten in einer strategisch guten Position: Sie können – außer mit der NPD – mit allen Parteien Bündnisse eingehen. Die Union kann nicht mit der Linkspartei und nicht mit der NPD und mit den Grünen nur unter Schwierigkeiten koalieren. Ob es schon zu rot-rot-grünen Bündnissen im Saarland und in Thüringen kommt, dürfte sich erst nach der Bundestagswahl entscheiden, um der CDU keinen Stoff für eine erneute Rote-Socken-Kampagne zu liefern. Die Grünen wollen zwar nicht mit der Linkspartei auf Bundesebene zusammengehen, aber genauso wie bei der SPD stellt sich die Frage, wie lange diese Schwüre halten. Denn die Grünen-Basis hat weniger Probleme mit einem Bündnis mit den Linken. Die Linkspartei sieht sich ihrem Ziel, wie eine normale Partei auch im Westen auftreten zu können, wieder ein Stück nähergekommen.
FDP-Chef Guido Westerwelle hat das Problem, daß seine Liberalen gar nicht soviel gewinnen können, wie die CDU verliert. Dieses Phänomen ließ sich schon bei früheren Landtagswahlen beobachten. Damit läßt sich aus den Ergebnissen in Thüringen und im Saarland immerhin der Schluß ziehen, daß es bei der Bundestagswahl für Schwarz-Gelb äußerst knapp werden könnte. Käme es im Reichstag tatsächlich zu Konstellationen wie in Thüringen oder dem Saarland, dann ist nicht auszuschließen, daß Westerwelle auch mit SPD und Grünen über ein Ampel-Bündnis Verhandlungen beginnt, um wieder mitzuregieren. Zumindest ist diese Variante wahrscheinlicher als ein „Jamaika“-Bündnis von Union, FDP und Grünen. Aber am Ende, wenn Ampel und Jamaika nicht klappen, wäre die SPD wieder am Zug und könnte die Große Koalition mit der Union fortsetzen.