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Ein „Held“ aus blutroter Zeit

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Als die Bundeskanzlerin zum 20. Jahrestag des Mauerfalls sagte, die deutsche Einheit müsse erst noch vollendet werden, hat sie vielleicht nicht an das östlich von Berlin gelegene Strausberg gedacht. Dabei hätte einiges dafür gesprochen, denn die rund 26.000 Einwohner zählende Gemeinde im Kreis Märkisch-Oderland steht wie kaum eine andere für die sozialistische Altlast der DDR.

Grund hierfür ist die Geschichte des Ortes. Dieser war zu DDR-Zeiten Sitz des Ministeriums für Nationale Verteidigung und ist heute ein großer Bundeswehrstandort. Trotzdem wurde in Strausberg – wo zahllose einstige SED-Funktionäre und NVA-Offiziere wohnen – seit 1989 keine einzige Straße umbenannt. Eine Ausnahme bildet lediglich der vormalige Leninplatz, der nun wieder „Am Markt“ heißt. Doch die ideologischen Weggefährten des einstigen Sowjetgründers dominieren immer noch das gegenwärtige Stadtbild. So tragen die Straßen in Strausberg die Namen der Kommunisten Ernst Thälmann, Rosa Luxemburg, Otto Grotewohl, Fritz Heckert, Artur Becker, Heinrich Rau oder des westdeutschen FDJ-Funktionärs Phillip Müller. Darüber hinaus ist hier auch eine Straße nach dem Mauerschützen Peter Göring benannt.

Dieser hatte am 23. Mai 1962 an der Berliner Mauer auf den damals 14 Jahre alten Flüchtling Wilfried Tews geschossen, als dieser – durch einen Schiffahrtskanal schwimmend – das westliche Ufer zu erreichen suchte. Polizisten von West-Berliner Seite hatten daraufhin das Feuer auf die Grenzsoldaten eröffnet, die insgesamt 141 Mal auf den Flüchtling geschossen haben sollen – selbst dann noch, als er das rettende Ufer erreicht hatte. Während der Täter Göring starb, überlebte der Schüler Tews schwer verletzt.

Die DDR-Führung machte aus dem getöteten Grenzsoldaten Göring fürderhin einen Märtyrer. Nach ihm wurden in der gesamten Republik Straßen, Schulen oder Kasernen benannt. Heute ist Strausberg der einzige Ort, der den Mauerschützen immer noch durch eine Namensgebung ehrt.

Hiergegen hatte vor einer Woche der 66jährige Strausberger Detlef Grabert protestiert, indem er in der Dunkelheit das Straßenschild überklebte: Aus der Peter-Göring-Straße war die Michael-Gartenschläger-Straße geworden – allerdings nur bis zum Morgengrauen. Da hatten Unbekannte den neuen Namenszug wieder entfernt.

Denn bislang scheiterten alle Anträge, die darauf abzielten, die Straße umzubenennen oder wenigstens mit einer Erklärungstafel zu versehen. In der von Linken und SPD dominierten Stadtverordnetenversammlung fand sich hierfür keine Mehrheit. Zuletzt hatte es 2003 einen entsprechenden Versuch gegeben.

Noch unwahrscheinlicher dürfte es sein, daß die Stadt – wie von Grabert gefordert – diese Straße nach Michael Gartenschläger benennt. Dabei wäre eine solche Entscheidung längst überfällig. Schließlich ist Gartenschläger, der mutig wie kaum ein anderer gegen die innerdeutsche Grenze ankämpfte, ein gebürtiger Strausberger. Nach Protesten gegen den Mauerbau war er 1961 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Zehn Jahre später kaufte ihn der Westen frei. Um die DDR-Propaganda zu entlarven, demontierte Gartenschläger am Grenzstreifen Selbstschußanlagen. Beim dritten Versuch wurde er 1976 von einem Spezialkommando der Staatssicherheit vermutlich gezielt erschossen.

Bis heute erinnern an Michael Gartenschläger nur eine Wanderausstellung der Gedenkstätte Marienborn, ein Gedenkstein in Büsow (Mecklenburg-Vorpommern) und das Ehrengrab auf dem Schweriner Friedhof. In Strausberg dagegen ist für den Sohn der Stadt kein Platz. Als 2006 der Antrag eingebracht wurde, eine Straße nach Michael Gartenschläger zu benennen, lehnte die Stadtverordnetenversammlung ab.

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