Die CSU steht ohne Günther Beckstein, Erwin Huber, Thomas Goppel und natürlich ohne Edmund Stoiber da. Ihre über die bayerischen Landesgrenzen hinaus bekannten Politiker sind entweder zurückgetreten oder vom neuen CSU-Chef Horst Seehofer aufs Altenteil geschoben worden. Der bald 60 Jahre alte Seehofer hat Wort gehalten: Seine Mannschaft werde jünger und weiblicher werden. So ist es gekommen. Über 60jährige in der CSU wissen jetzt, daß sie nicht mehr gebraucht werden. Verdiente Landespolitiker wie Otmar Bernhard (Umweltminister), Christa Stewens (Soziales), Josef Miller (Landwirtschaft) und Eberhard Sinner (Staatskanzlei) mußten gehen. Sehr auffällig fiel die Verjüngung im Bundeskabinett aus. Dort rückt die 43 Jahre alte Ilse Aigner, die sich bisher mehr um Forschungs- und Bildungspolitik gekümmert hat, ins Landwirtschaftsministerium auf die Stelle Seehofers nach. Ebenso auffällig ist die Berufung des Bundestagsabgeordneten Karl-Theodor zu Guttenberg zum neuen Generalsekretär der CSU. Der 36jährige Guttenberg sollte Landwirtschaftsminister werden, doch gab es in der Landesgruppe der bayerischen Bundestagsabgeordneten zu viele andere, die auch noch gerne für ein Jahr im Kabinettszug mitgefahren wären — auch und gerade jüngere Politiker. Da Guttenberg bisher nur als Außenpolitiker in Erscheinung getreten war, hatte er keine sachlichen Qualifikationen für das Landwirtschaftsministerium vorzuweisen. Besondere Qualifikationen hatte Aigner zwar auch nicht. Aber im Männerverein CSU gibt es eine alte Regel: Wenn irgendwo eine Frau um des Proporzes willen einen Posten bekommen soll, ist man besser still. Mit diesem klugen Schachzug besetzte Seehofer mit Aigner das Ministerium, während Guttenberg jetzt die CSU-Zentrale managen darf. Um diesen Posten gab es keine ernstzunehmenden Konkurrenten. Im nächsten Jahr sind mit der Europa- und der Bundestagswahl zwei Schicksalswahlkämpfe zu führen. Mißerfolge können das Ende der Karriere bedeuten — auch wenn die frühere Generalsekretärin Christine Haderthauer, die für die Niederlage bei der Landtagswahl mitverantwortlich gemacht wird, als Sozialministerin ins neue Kabinett einziehen durfte. Die Generation der 40jährigen hat jetzt das Sagen. Eine der starken Kabinettspersönlichkeiten wird Stoibers früherer Generalsekretär Markus Söder (41) sein, der Umweltminister wurde. Aber auch Georg Fahrenschon (40), der vor einem Jahr sein Bundestagsmandat aufgab, um als Staatssekretär ins bayerische Finanzministerium zu gehen, wird als neuer Finanzminister schon bald aufhorchen lassen. Die CSU, die mit dem Ende der Ära Stoiber ins personelle Mittelmaß zu versinken schien, entpuppt sich plötzlich als Schmiede für Nachwuchstalente. Die personelle Neuaufstellung ist Seehofer gelungen. Auch scheint das Kanzleramt seit dem Wechsel im CSU-Vorsitz vorsichtiger geworden zu sein. Seehofer, ein erfahrener Verhandler, läßt sich bei Reizthemen wie der Erbschaftsteuer nicht so einfach über den Tisch ziehen. Er machte in seiner ersten Berliner Pressekonferenz nach der Regierungsbildung deutlich, daß ihm sehr viel an der Gemeinsamkeit von CDU und CSU liegt. Wer genau zuhörte, wußte damit, daß ein im Kanzleramt beliebtes Spielchen nicht mehr funktionieren wird: CDU und SPD sind sich wie bei der Erbschaftsteuer einig und machen gemeinsam Druck auf die widerborstige CSU, sich der Einigung anzuschließen. Künftig, so machte Seehofer klar, muß es zunächst eine gemeinsame Unionslinie geben, und danach geht es mit einer abgestimmten Position in die Verhandlungen mit der SPD. Kanzlerin Merkel wird es mit dem unorthodoxen, aber auch unkalkulierbaren Seehofer nicht leicht haben. Seehofer mit sich selbst auch nicht. Er müßte seine Persönlichkeit völlig verändert haben, wenn er jetzt mit den jungen Spielern eine Mannschaft bilden würde. Wenn er der Einzelgänger bleibt, der er immer war, wird ihn diese junge Mannschaft in wenigen Jahren dahin befördern, wo Stoiber, Huber, Beckstein und Goppel heute schon sind: in den Ruhestand. Dann ist der Generationswechsel in der CSU vollendet.
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