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Privilegierter Lärm

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Welche verrückten Blüten die Auswirkung der demographischen Entwicklung in Deutschland mittlerweile treibt, läßt sich seit einigen Monaten in Hamburg bestaunen. Mancherorts wurde in der Hansestadt die Geräuschkulisse, die spielende Kinder verursachen, nicht mehr als Ausdruck einer intakten Gesellschaft und als bereicherndes Moment der Freude wahrgenommen, sondern als störender Lärm, den man mit juristischen Schritten bekämpfen muß. Dieser Kampf begann um den Kindergarten „Marienkäfer“ im Stadtteil Wandsbek, gegen den verärgerte Nachbarn im vergangenen Jahr wegen Lärmbelästigung klagten. Die Nachbarn fühlten sich in erster Linie durch die Geräusche belästigt, die die Kinder in den ein- bis zweistündigen Außenaufenthalten verursachten, und durch den Autolärm, der durch das Bringen und Abholen der Kinder entsteht. Diese Begründung überzeugt jedoch wenig, wenn man berücksichtigt, daß der Kindergarten direkt an einer vierspurigen Straße liegt, auf der nach Angaben der Polizei täglich etwa 40.000 Autos fahren. Nachdem die Kläger vor dem Hamburger Landgericht recht bekamen, war ein Exempel statuiert, und eine Reihe weiterer Verfahren wurde anhängig. So klagten nun auch Nachbarn des Waldkindergartens „Kokopelli“, und auch das „Löwenhaus“ des Arbeiter-Samariter-Bundes mußte sich dem Druck der Nachbarn beugen und umziehen. Im „Löwenhaus“ wurden täglich 20 Jungen und Mädchen aus sozial schwachen Familien mit einer warmen Mahlzeit versorgt, was der Einrichtung viel Lob und den Ruf eines Vorzeigeprojektes einbrachte. Nachdem allerdings Essensgeruch und die Geräusche spielender Kinder zu den Anwohnern drangen, war Schluß mit der nachbarschaftlichen Idylle. Politiker sahen sich zum Handeln veranlaßt Statt das Gespräch zu suchen und gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten, wurden in der Folge des „Marienkäfer-Urteils“ Anwälte und Behörden bemüht, um gegen die betroffene Einrichtung vorzugehen. Im Fall des Waldkindergartens gab es zwar vor Klageerhebung Gespräche, diese wurden aber nach erfolglosen Verhandlungen abgebrochen. Nachdem deutlich wurde, daß verärgerte Anwohner mit Erfolgsaussichten gegen Kindergärten vorgehen konnten, sah man auch auf politischer Ebene in der Hansestadt Handlungsbedarf und nahm sich des Themas an. Einig sind sich alle Parteien darin, daß eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden muß, die belastbar genug ist, um in Kindergärten eine kindgerechte Betreuung zu gewährleisten, deren Lärm nicht mit dem von Straßen oder Industrieanlagen verglichen werden kann. Die CDU-Bürgerschaftsfraktion brachte einen Gesetzentwurf in das Stadtparlament ein, durch den in das Hamburgische Sozialgesetzbuch VIII ein Zusatz zu Paragraph 29 eingeführt werden soll, der Kinderlärm privilegiert, so die jugendpolitische Sprecherin der Fraktion, Stefanie Strasburger. Dieser Vorstoß ist innerhalb der Bürgerschaft jedoch nicht unumstritten. Sowohl die Sozialdemokraten wie auch die Grüne Alternative Liste (GAL) kritisierten den Vorschlag, den die CDU unter Bürgermeister Ole von Beust selbst nur als „Handreichung für den Richter“ bezeichnet, als zu unbestimmt und ungeeignet, um Urteile zu beeinflussen. Beide Oppositionsparteien brachten eigene Vorschläge ein, die jedoch an der CDU-Mehrheit scheiterten. Es gilt daher als sicher, daß die CDU-Initiative zur Kinderlärm-Verordnung in der Bürgerschaftssitzung am 31. Januar beschlossen wird.

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