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Eine Brücke nach Europa

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Bundespräsident Horst Köhler hat vorige Woche im Rahmen seiner Balkanreise auch Rumänien besucht. Fast einen ganzen Besuchstag widmete er – trotz engen Terminkalenders – Hermannstadt. Die Reise nach Siebenbürgen war zugleich eine in die eigene Vergangenheit: die Familie seiner Mutter stammt aus dieser von den Ungarn Nagyszeben und den Rumänen Sibiu genannten Stadt, die trotz mehrfacher Belagerungen nie von den Osmanen erobert wurde. Doch so wie die Vorfahren des deutschen Staatsoberhauptes haben viele andere Rumäniendeutsche mittlerweile das Land verlassen. Doch in Form von expandierenden deutschen Firmen findet inzwischen eine kleine Umkehr dieses Exodus statt. In fast jeder größeren Stadt Rumäniens trifft man jetzt deutsche Lebensmittel- oder Baumarkt-Ketten an. Qualität „made in Germany“ wird hier noch hoch geschätzt. Schon vor über 800 Jahren holten die damals ungarischen Herrscher gerne deutsche Kolonisten, um ihr Erdély mittels Wehrkirchen gegen die Türken zu sichern und die Wirtschaft zu beleben. An so manchem Ortseingang steht noch vereinzelt und in gotischer Schrift der deutsche und ursprüngliche Name. Doch die Deutschen wurden von den Kommunisten nach 1945 enteignet, sie sollten so wie der Rest des Landes zwangsurbanisiert werden. Mit Ion Gheorghe Maurer war bis 1974 ein deutschstämmiger Kommunist sogar rumänischer Regierungschef. Nach dem Sturz von Präsident Nicolae Ceauşescu im Jahre 1989 setzte dann der eigentliche Massenexodus ein. Entwurzelt und entnervt nutzten fast alle Deutschen ihre Reisefreiheit und kamen in die Bundesrepublik, lediglich zehn Prozent sind im Land verblieben. Mit rund 60.000 Menschen stellen die Deutschen mittlerweile nur noch die viertgrößte der über 26 Minderheiten in dem Vielvölkerstaat mit seinen insgesamt 22 Millionen Einwohnern. Thomas Şindilariu ist einer von ihnen. Er war der erste aus seiner Familie, der sich 1990 nach München verabschiedet hatte. Doch kam er nach seinem Geschichtsstudium wieder in die Heimat zurück. Er arbeitet jetzt als Archivar der Honterusgemeinde in Kronstadt (Brassó/Braşov). Er ist dafür zuständig, das an Kulturgütern zu sichern, was die Auswanderer in den Kirchen zurückgelassen haben. „Wenn man heute in eine Klasse an einer deutschen Schule kommt, sind da höchstens noch drei, vier Kinder aus deutschsprachigem Elternhaus. Wobei die Sprache eigentlich immer von der Mutter weitergegeben wird. So wie bei mir, der zwar keinen deutschen Namen trägt, aber im Gegensatz zu anderen mit deutschen Namen die Sprache noch spricht“, meint Şindilariu. Auch Horst Köhler mußte bei seinem Besuch im Samuel-von-Brukenthal-Lyzeum von Direktor Gerold Hermann vernehmen, daß seine Schülerzahlen beständig sinken und der Lehrernachwuchs ihm große Sorgen bereite. Denn wenn man Deutsch kann, ist es in Rumänien lukrativer in der Privatwirtschaft zu arbeiten als für 400 Euro zu unterrichten. Christel Ungar-Ţopescu ist Chefredakteurin der Sendung „Akzente“, des Programms der deutschen Minderheit, das einmal in der Woche für eine Stunde beim Staatssender TVR läuft. Sie kann sich noch gut an die Zeit erinnern, als die Kommunisten die Minderheiten Rumäniens zwangsassimilieren wollten. „Heute hingegen begreifen die meisten Rumänen die Deutschen als eine Chance, eine Brücke nach Europa. Wir haben hier ein durchweg positives Image“, kann sie ohne zu übertreiben konstatieren. 1966 in Hermannstadt geboren, kommt sie direkt aus dem Zentrum der Region mit dem einstmals höchsten Anteil deutscher Bevölkerung. Hermannstadt ist, zusammen mit Luxemburg, in diesem Jahr auch Kulturhauptstadt Europas (JF 23/06). Deshalb wurde in der erstmals 1191 urkundlich erwähnten Stadt gebaut was das Zeug hält, um die heruntergekommene, aber historisch wertvolle Altstadt für das Groß­ereignis auf Vordermann zu bringen. Doch wird der Besucher, wie in vielen einstmals von Deutschen gegründeten und bis vor 25 Jahren auch mehrheitlich bewohnten Orten, kaum noch Hinweise auf diese Geschichte finden. Straßennamen sind durchweg auf rumänisch, nur einzelne und neu aufgestellte Tafeln, die auf besondere Sehenswürdigkeiten hinweisen, sind wieder zweisprachig. So wie der Bürgermeister Klaus Johannis vom Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien (DFDR), der 2004 mit fast 90 Prozent der abgegebenen Stimmen im Amt bestätigt wurde. Und das, obwohl nur noch etwa 2.000 der etwa 150.000 Einwohner von Hermannstadt zur deutschen Minderheit zählen.

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