Ein Untersuchungsausschuß wird definiert als ein Organ zur Untersuchung von Sachverhalten, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt. Solch ein Ausschuß wird demnächst den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) befragen, ob er versucht hat, die Freien Wähler in Hessen zu bestechen. Aber so einfach wird dann die Frage nicht lauten können; denn die Angelegenheit stellt sich komplexer dar. Im Jahr 1992 urteilte das Bundesverfassungsgericht, daß örtliche Wählergemeinschaften einen Anspruch hätten, finanziell gleichbehandelt zu werden. Das Urteil stellt auch klar, daß eine Doppelfinanzierung von Parteien auf kommunaler und Landesebene verboten sei. Seitdem sollen die Freien Wähler (FWG) in Hessen die jeweiligen Landesregierungen gemahnt haben, dem Urteil des Gerichts nachzukommen. Am 3. April dieses Jahres hatten sich die Vorstände der FWG und der derzeitigen Regierungspartei CDU zu einem turnusmäßigen und damit üblichen Gespräch getroffen. Koch spricht von Tatsachenverdrehung Ab jetzt unterscheiden sich die Behauptungen der damals Anwesenden: Die FWG behauptet, Roland Koch habe in dieser Sitzung das Gesetz über Wahlkampfkostenerstattung für kommunale Wählervereinigungen von einem Antrittsverzicht der FWG bei der Landtagswahl 2008 abhängig gemacht. Verzichteten die Freien Wähler auf die Landtagswahl 2008, dann sollten sie künftig von der staatlichen Parteienfinanzierung profitieren. Die bei dem Treffen anwesenden FWG-Vorstandsmitglieder erklärten sich bereit, diesen Sachverhalt unter Eid zu bezeugen. Ihre Version des Treffens würde zudem ein Aktenvermerk aus dieser Sitzung belegen. In einer gemeinsamen Sitzung des hessischen Innen- und Hauptausschusses ging es vergangenen Mittwoch um genau diese Frage, ob Hessens Ministerpräsident den Freien Wählern Steuermittel anbot, um sie davon abzuhalten, bei der Wahl 2008 anzutreten. Koch hatte den Bestechungsvorwürfen der Freien Wähler nicht nur widersprochen, sondern warf diesen im Gegenzug Nötigung vor. Die Freien Wähler hätten seit Jahren darauf gedrängt, Geld für Wahlkämpfe zu bekommen. Dieses Jahr hätten die Freien Wähler dann erneut gedroht, notfalls bei der Landtagswahl 2008 anzutreten, wenn diese Finanzierung nicht laufe. Koch sprach deswegen von „Tatsachenverdrehung“ und erklärte, daß beim Innenministerium ein Gesetzentwurf erstellt worden sei, wonach ausschließlich Wählergruppen eine Wahlkampfkostenerstattung für die hessische Kommunalwahl erhalten sollten. Um zu vermeiden, daß die Freien Wähler für Kommunal- und Landtagswahl jeweils Geld bekommen würden, und aus Gründen der Gleichbehandlung von Wählergruppen und Parteien sei die CDU jedoch nur zur Mitwirkung an diesem Gesetz bereit gewesen, wenn die Freien Wähler ihrerseits auf eine Kandidatur bei Landtagswahlen grundsätzlich verzichtet hätten. Ansonsten wäre die FWG bessergestellt als die zur Wahl antretenden Parteien. Es stellt sich also die Frage, ob der Landesvater nur über die Rechtslage aufklären wollte oder ob er wirklich der FWG ein unmoralisches Angebot unterbreiten wollte. Oder ob sich beide Seiten nur mißverstanden haben. Die Sache hat jedoch noch andere Aspekte. Beim hessischen Delegiertentag in Groß-Gerau beschlossen die Freien Wähler mit 61 Prozent, erstmals seit 1978 wieder bei einer Landtagswahl zu kandidieren. Der Landesvorsitzende Thomas Braun informierte die Delegierten darüber, Koch habe versucht, sie von dieser Kandidatur abzuhalten. Manch einer behauptet, nur deswegen kam die Mehrheit zustande. Auf der anderen Seite erscheint es nicht plausibel, allgemeingültige Gesetze zur Wahlkampffinanzierung schaffen zu wollen, diese aber von einem Verzicht der Betroffenen abhängig zu machen. Die Opposition aus SPD und Grünen im Landtag hat nun einen Untersuchungsausschuß einsetzen. In Hessen findet die nächste Landtagswahl am 27. Januar 2008 statt. Bis dahin wird er wohl die interessierte Öffentlichkeit „aufklären“.
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