Was sich da letzte Woche im Rahmen des Gipfeltreffens der Schanghaier Kooperationsorganisation (SCO) abgespielt hat, dürfte nicht nur der Regierung von US-Präsident George W. Bush ganz und gar nicht gefallen haben. Dies nicht nur deshalb, weil sich dieses eurasische Bündnis explizit auf die Fahnen geschrieben hat, dem Vordringen der USA im zentralasiatischen Raum entgegenzutreten und eine Art Gegengewicht zur westlich dominierten „Globalisierung“ zu bilden. Effektivere Möglichkeiten der Kooperation sind geplant Der eigentliche Stein des Anstoßes war, daß die SCO auf ihrem jüngsten Treffen in Schanghai dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad ein breites Forum gegeben hat. Der 49jährige nutzte die ihm eingeräumte Redezeit denn auch erwartungsgemäß dazu aus, die Mitglieder der SCO dazu aufzurufen, dem wachsenden Einfluß „vorherrschender Mächte“ – womit er die USA gemeint haben dürfte – entgegenzutreten. Der iranische Präsident, dessen Land in der SCO nur Beobach-terstatus hat, gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß die Schanghaier Organisation auf regionaler und internationaler Ebene zu einer „starken und einflußreichen wirtschaftlichen, politischen und Handelsorganisation“ werden könne. Überdies rief er zur Zusammenarbeit auf dem Energiesektor auf; es sollten „effektivere Möglichkeiten der Kooperation“ ausgelotet werden. Ein erster Schritt dorthin dürfte die Einrichtung einer „Arbeitsgruppe Energie“ sein, der nicht nur die drei großen Ölexporteure Rußland, Iran und Kasachstan angehören sollen, sondern auch China als aktuell zweitgrößter Ölimporteur der Welt. Natürlich spielten auch die aktuellen Streitigkeiten um das Atomprogramm des Iran eine Rolle, wenn auch nur im Hintergrund. So erklärte Rußlands Präsident Wladimir Putin mit Blick auf die Vorschläge der fünf ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates sowie Deutschlands zur Beilegung der Atomkrise moderat: „Der Iran ist zu Verhandlungen bereit, und in kürzester Zeit wird die iranische Seite ihre Vorschläge hinsichtlich der Fristen für Verhandlungen formulieren.“ Der Eindruck, daß das Verhältnis der beiden maßgebenden SCO-Mitglieder Rußland und China zum Iran mehr und mehr von wirtschaftlichen Interessen dominiert wird, dürfte kaum trügen. Der russisch-iranische Handel hat sich seit 2000 verdreifacht; aus chinesischer Sicht ist der Iran in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Handelspartner aufgestiegen. Die hier und da im Westen zur „Nato des Ostens“ hochgeredete SCO ist ungeachtet ihre aktuellen Bemühungen um eine Intensivierung der Zusammenarbeit auf dem wirtschaftlichen Sektor im Kampf gegen Terrorismus und religiösen Extremismus noch weit davon entfernt, ein wirkungsvolles Instrument strategischer Zielsetzungen zu sein, was wohl auch an der Heterogenität ihrer Mitglieder liegt. Gegründet wurde die Organisation 1996 von den Staatschefs Rußlands und Chinas sowie der Ex-Sowjetrepubliken Tadschikistan, Kasachstan und Kirgisien als „Schanghaier Fünfer-Gruppe“. Nach der Unterzeichnung eines Vertrags über die Vertiefung des militärischen Vertrauens in Grenzregionen wurde 1997 der Vertrag über die Reduzierung der Streitkräfte in Grenzregionen in Moskau besiegelt. 2001 trat Usbekistan dem Abkommen bei; seitdem wird es als SCO bezeichnet. 2004 erhielten die Mongolei und Indien, 2005 Pakistan und der Iran den Beobachterstatus. Aktuell bemüht sich vor allem der Iran um eine Vollmitgliedschaft in der SCO, was eine Neuausrichtung dieses Bündnisses bedeuten würde. Auch die Frage der Arbeitssprachen der SCO – bislang Chinesisch und Russisch – dürfte sich dann neu stellen. Wieder russischer statt US-Einfluß in Mittelasien Aufgrund ihres großen Potentials an Ressourcen kann die SCO als „schlafender Riese“ bezeichnet werden, der sein politisches Gewicht bisher nur ansatzweise geltend gemacht hat. Daran dürfte sich in Bälde kaum etwas ändern, weil das Mißtrauen zwischen Rußland und China und ihr Bestreben, die Beziehungen mit den USA nicht zu verschlechtern, bisher weitergehende Ambitionen verhinderten. Dennoch gelang es 2005 zum Beispiel Usbekistan, die USA zum Rückzug ihrer Truppen zu bewegen. Kirgisien verfolgt aktuell ähnliche Ziele. Rußland ist bemüht, sich anstelle der USA in diesen Regionen wieder militärisch zu etablieren. In Kirgisien und Tadschikistan sind bereits russische Militärbasen eingerichtet worden; Usbekistan wird folgen, wenn es dort zu Unruhen kommen sollte. Nicht verhindern konnte Putin allerdings, daß sich die 1997 mit US-Hilfe gegründete GUUAM-Gruppe, die sich im Mai diesen Jahres als „Organisation für Demokratie und Entwicklung“ neugründete, mit ihren Mitgliedern Georgien, Ukraine, Aserbaidschan und Moldawien eindeutig in Richtung We-sten orientiert hat. Von den ehemaligen GUS-Staaten steht damit ein Teil im westlichen Lager, so daß die russischen Aktivitäten in Zentralasien, wohin sich der russische Fokus im Kampf um den Einfluß auf Öl- und Gasreserven aktuell verlagert hat, verständlicher werden. Lediglich Gründungsmitglied Usbekistan wechselte 2001 zur SCO. Eine Aufnahme des Iran in die SCO scheint vor diesem Hintergrund nicht mehr undenkbar, wie zum Beispiel die Ausführungen von Mehdi Sanai, Direktor für Studien Rußlands, Zentralasiens und dem Kaukasus, nahelegen. Die SCO könne den Iran nicht ignorieren, erklärte Sanin in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti, „denn Fragen, die mit dem Kampf gegen den illegalen Drogenhandel und den Terrorismus in der Region zusammenhängen, lassen sich ohne die Teilnahme von Teheran nicht lösen“. Und zur Rolle der SCO im Hinblick auf die US-Aktivitäten in Zentralasien meinte der Experte: „Den USA gefällt die zunehmende Rolle der SCO nicht. Denn die Wege zur Lösung vieler regionaler und internationaler Probleme durch diese Organisation fügen sich nicht in den Rahmen der amerikanischen Politik in der Region ein.“ Foto: Präsidenten Karimow, Putin, Nasarbajew, Hu Jintao, Bakiew, Rachmonow und Ahmadinedschad (v.l.n.r.): Ein „schlafender Riese“
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