Schreiende Ungerechtigkeit“: Mitwahlkampfgerechter Empörung griff der rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidat Christoph Böhr einen Bericht der Süddeutschen Zeitung auf, in dem der anonym bleibende Leiter einer Ausländerbehörde des Landes Spektakuläres berichtete. Erst zwanzig-, dann fünfzigtausend Euro habe er einem abgelehnten Asylbewerber als Rückkehrprämie geboten, dieser habe jedoch nicht unter hunderttausend gehen wollen. Mit der Bild als Sekundant nahm Böhr das Landesprogramm „Initiative Rückkehr 2005“ ins Visier. Die Mainzer Landesregierung ließ die geschilderte Basarszene umgehend als „aberwitzig“ dementieren: Bei dem Programm gehe es darum, den Kommunen „flexibel“ Mittel an die Hand zu geben, um Transportkosten, medizinische Unterstützung, „Starthilfen“ und Reintegrationsmaßnahmen zu finanzieren. Dafür seien fünf Millionen Euro bereitgestellt. Eine Stadt wie Pirmasens habe davon während der vorgesehenen Laufzeit von drei Jahren gerade mal 65.000 Euro zur Verfügung, rechnete der angegriffene Innenminister Karl-Peter Bruch vor. In der Regel bewegten sich die eingesetzten Mittel zwischen wenigen hundert und wenigen tausend Euro. „Die Höhe der Geld- oder Sachleistungen für die Ausreise orientiert sich an der maximal binnen eines Jahres erhaltenen Sozialhilfe“, erläutert die Stadt Mainz ihre Praxis. Da kommt man freilich schnell auch auf fünfstellige Beträge. Die Kosten für die Programme werden geteilt Besonders erfolgreich scheint das Programm, unabhängig von der Höhe der geflossenen Summen, ohnedies nicht zu sein – der Großteil des Geldes ist noch da. Gerade mal 120 von insgesamt angepeilten 4.000 Flüchtlingen seien seit Anlaufen des Programms vor einem halben Jahr zurückgekehrt, mußte Bruch zugeben. In der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz konnte man mit Hilfe des Programms ganze neun der rund 500 in Frage kommenden Kandidaten zur Rückkehr bewegen. Programme zur Förderung der freiwilligen Rückkehr gibt es seit mehr als einem Vierteljahrhundert; der Erfolg ist durchwachsen. Seit einigen Jahren sind die Maßnahmen von Bund und Ländern in den beiden Programmen REAG („Reintegration and Emigration Programme for Asylum-Seekers in Germany“) und GARP („Government Assisted Repatriation Programme“) gebündelt, die seit 2003 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angesiedelt sind und von der International Organization for Migration (IOM) im Auftrag des Bundesministeriums des Innern und der zuständigen Länderministerien durchgeführt werden. Bund und Länder teilen sich auch die Kosten (8,4 Millionen Euro für dieses Jahr). REAG finanziert Reisebeihilfen für ausreisepflichtige Ausländer, GARP stellt für „Personen aus migrationspolitisch bedeutsamen Herkunftsländern“ (derzeit vor allem Afghanistan, Irak, Kosovo) zusätzliche Starthilfen bereit. Größere Wirksamkeit entfalteten diese Programme vor allem bei der Rückführung der Kriegsflüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina zwischen 1996 und 2002 (200.000 Teilnehmer) und der Kosovo-Flüchtlinge zwischen 1999 und 2004 (90.000 Rückkehrer). Seither peilt man jährliche Rückkehrerzahlen um die zehntausend an. Gemessen an den – auf ganz Deutschland gerechnet – gegenwärtig mehr als 200.000 ausreisepflichtigen Flüchtlingen und Asylbewerbern sind das bescheidene Zahlen. Der Grund dafür liegt auf der Hand. „Mein Eindruck ist, daß die Bundesrepublik für viele Menschen aus den ärmeren Regionen immer noch ein starker Anreiz ist“, weiß Wolfgang Brinkmann, Bereichsleiter öffentliche Sicherheit und Ordnung in Worms. Für viele abgelehnte Asylbewerber sei es geradezu eine „Schande“, wenn sie nach Hause zurückkehrten, ohne aus dem aus ihrer Sicht reichen Deutschland Geld mitzubringen. „Daß die Rückkehrhilfe ein wirklicher Anreiz ist, in die Heimat zurückzukehren, kann man noch nicht sagen“, bestätigt Angelika Zezyk, Abteilungsleiterin der Wormser Ausländerbehörde. Das nimmt kaum wunder – so attraktiv es für eine Kommune, die eine siebenköpfige Flüchtlingsfamilie mit 33.000 Euro jährlich unterstützen muß, klingen mag, sich mit wenigen tausend Euro Rückkehrhilfe von dieser Verpflichtung freizukaufen, so unattraktiv ist es für die Betreffenden, diese komfortable Versorgung aufzugeben. Das Tabu-Thema belebt den Wahlkampf „Immer wenn die CDU ihre Felle davonschwimmen sieht, macht sie Stimmung gegen Ausländer“, keilte Ministerpräsident Kurt Beck gegen Böhrs Profilierungsübung zurück. Bei den Republikanern bewertet man den CDU-Vorstoß ähnlich: „Das läuft genau in unsere Wahlkampfstrategie rein“, freute sich deren Landesvorsitzender Stephan Stritter auf einer Pressekonferenz in Mainz. Der rheinland-pfälzische Wahlkampf hat das Tabu-Thema Einwanderung entdeckt – auf die Taten nach der Wahl darf man gespannt sein.