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Abberufung nach Grabrede

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Sonntag, 12. November 2006. Die Besucher des Wiener Zentralfriedhofs erleben einen jener Herbsttage, da in den sphärenblauen Fenstern grauer Regenwolken der Himmel zum Greifen nahe scheint. Es ist kurz nach elf Uhr, als Gerhard Pendl, Professor und Universitätsrat der Medizinischen Universität Wien (MUW), die Worte spricht: „Wir verstehen uns hier nicht als Wallfahrer zu einer heiligen Stätte, sondern es ist unsere Pflicht, gegen die seelischen Narben der Gutmenschen, die auch die Toten nicht in Ruhe lassen, aufzuzeigen, daß es doch noch ein Fähnlein gibt in diesen deutschen Landen, die unsere unschuldigen Soldaten und ihren furchtbaren Tod nicht vergessen oder gar herabwürdigen.“ Von Journalisten mitgeschnitten, wird dieser Satz binnen Stunden zur medialen Munition berufsbetroffener Zeitgeister umfunktioniert. Die Schlagzeilen reichen von der „Glorifizierung des Nationalsozialismus“ bis zum „Gedenken an einen Nazi-Kriegsverbrecher“. Der Grabstein des inszenierten Anstoßes trägt den Namen des Luftwaffen-Majors Walter Nowotny. Am 7. Dezember 1920 im österreichischen Gmünd geboren, trat der Sohn eines Eisenbahnbeamten mit 17 der NSDAP bei. Nach dem Abitur 1939 trat er in die Luftwaffe ein. In 442 Feindflügen als weltweit erster Jagdflieger 250 Abschüsse zu verzeichnen, begründete bereits zu Lebzeiten seinen Mythos. 1943 wurden Nowotny die drei höchsten Tapferkeitsauszeichnungen, Eichenlaub, Schwerter und Brillanten, verliehen. Ab September 1944 Kommandeur des ersten deutschen Düsenjäger-Geschwaders, stürzte Nowotny am 8. November infolge Triebwerksversagens seiner Me 262 zu Tode. Seinem Einsatz in der Abwehr von US-Bombern, die zur „Bepflasterung“ österreichischer Städte anflogen, verdanken Unzählige ihr Leben. Von der Stadt Wien erhielt der 23jährig gefallene Jagdflieger daher ein Ehrengrab. Pierre Clostermann, erfolgreichster französischer Jagdflieger des Zweiten Weltkrieges, schrieb zum Tode Nowotnys: „Wir grüßen den tapferen Feind, den das Schicksal ereilt hat, erklären Nowotny zu einem der Unseren, der teilhatte an unserer Welt, in der weder Ideologien noch Haß noch Grenzen zählen. Er hat die Ehre der deutschen Nation über alle Himmel Europas getragen.“ 1958 wurde sein Grabstein erneuert, das österreichische Bundesheer stellte jahrelang an Nowotnys Todestag Ehrenwachen auf. Auch das Bonner Verteidigungsministerium lies Kränze niederlegen. 1981 kam eine Nowotny-Gedenkmünze heraus. In den neunziger Jahren begannen dann zumeist Grünen-Politiker gegen das Ehrengrab für den „NS-Flieger“ Front zu machen. Im Mai 2003 wurde der Ehrengrab-Status mit rot-grüner Mehrheit vom Wiener Gemeinderat aberkannt. Da die Grabpflege nunmehr nicht gesichert schien, trat der „Verein zur Pflege des Grabes Walter Nowotny“ auf den Plan. „Gedenken an einen Nazi-Kriegsverbrecher“ Als dessen Obmann hielt Universitätsrat Pendl die bereits zitierte Rede. Angesichts der wiederkehrenden Grabschändungen fand er deutliche Worte: „Und auch dieses Jahr wird das Grab mit den Gebinden der um unseren Helden gedenkenden Menschen wieder von dummen unkultivierten Menschen geschändet werden“, so Pendl. „Keine Zeitung oder Fernsehanstalt wird über diese Grabschändung berichten. Ja, wahrscheinlich beschleicht sie auch jene berüchtigte ‚klammheimliche Freude‘ der RAF-Sympathisanten. Und so wird Walter Nowotny noch einmal Opfer einer Gesinnung, der die Totenruhe nicht mehr heilig ist. Und ich sage den Widersachern der Kriegsgeneration, der Generation der Zivildiener und Störer der Totenruhe noch einmal: Die Kränze, die ihnen einmal beschert werden sollen, sind schon heute welk.“ Die solcherart Herausgeforderten reagierten prompt. Das sei „untragbar“, erklärte Grünen-Stadtrat David Ellensohn. Auch der Rektor der MUW, Wolfgang Schütz, SPÖ-Wissenschaftssprecher Josef Broukal und sein Grünen-Pendant Kurt Grünewald forderten unisono die Abberufung des „untragbar“ gewordenen Universitätsrates. Die zuständige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer ließ verlauten, diesem Begehren Folge leisten zu wollen. Die ÖVP-Politikerin wies Kritik an der seinerzeitigen Nominierung Pendls zurück und erklärte seine Äußerungen für „nicht förderlich“. Pendl bekleide eine öffentliche Funktion und müsse daher besonders auf „politische Korrektheit“ achten. Das Universitätsgesetz 2002 (§ 21) sieht eine Abberufung für den Fall der „schweren Pflichtverletzung“ vor. Der FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache spricht hingegen von einem „Skandal der Sonderklasse“ und erklärt, „die abgewählte und mit einem Bein bereits in der Pension befindliche Unterrichtsministerin hat am Ende ihrer ruhmlosen Amtszeit noch einmal einen veritablen Bauchfleck hingelegt“. Von Rufschädigung könne keine Rede sein, da Pendl ein Neurochirurg von Weltrang sei. Strache verweist auf Tätigkeiten an der George-Washington-, der Columbia- und Harvard-University, eine Lehrtätigkeit am Max-Planck-Institut in München sowie 480 wissenschaftliche Veröffentlichungen. Auch Martin Graf, freiheitlicher Wissenschaftssprecher und Jurist, sieht Pendls Worte als „weder zivil- noch strafrechtlich relevant“, weshalb sie „unter die freie Meinungsäußerung“ fielen, „ob man diese nun teilt oder nicht“. Davon unbenommen scheinen die Tage des Universitätsrates Pendl gezählt. Schließlich genügte im Fall des für Auslandskorrespondenten zuständig gewesenen ORF-Chefredakteurs Walter Seledec die bloße Anwesenheit bei der Kranzniederlegung 2005, um ORF-Generalintendantin Monika Lindner dessen frühestmögliche Pensionierung herbeiführen zu lassen (JF 47/05).

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