Noch vor wenigen Monaten nahm die jüdische Internetplattform „haGalil“ eine herausragende Rolle bei der Verbreitung von Hilfeaufrufen ein, mit denen die linksextreme Wochenpublikation Jungle World um den Abschluß von Unterstützungsabonnements warb. Nun steht „haGalil“ im zehnten Jahr seiner Existenz selbst vor dem finanziellen Aus. Im Moment sei die Situation „zappenduster“, ließen die Verantwortlichen in der vergangenen Woche mehrfach in der Presse und im Fernsehmagazin „Monitor“ wissen. Wenn nicht innerhalb des nächsten Monats staatliche Unterstützung in die Kassen fließe, müsse das Portal Ende März sein Angebot einstellen. Seit 2001 wurde „haGalil“ mit hohen Zuschüssen vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bedacht. Im Haushalt dieser Institution ist in jedem Kalenderjahr eine Summe von zehn Millionen Euro für „Maßnahmen gegen Gewalt und Rechtsextremismus“ eingeplant. Das bewilligte Geld wurde bis 2004 über den Trägerverein „Tacheles reden! e.V.“ an „haGalil“ weitergeleitet. Im vergangenen Jahr trennte sich „haGalil“ wegen interner Differenzen – die vor allem die inhaltliche Ausrichtung des Kampfes gegen Rechtsextremismus betrafen – von „Tacheles“ und gründete einen eigenen Trägerverein. Nun wurden beim neuen Antrag um Fördergelder für 2005 vom Bundesministerium die Voraussetzungen und die Verwendung der Gelder erstmals etwas gründlicher geprüft. Dabei stellte man fest, daß „haGalil“ zumindest in Teilen einen kommerziellen Charakter aufweise, und damit kein rein gemeinnütziges Unternehmen sei. Zudem wurde vom Ministerium die Trennung vom alten Trägerverein kritisiert. Aus diesen Gründen und wegen einiger weiterer Unklarheiten entschied sich das Ministerium, die Förderung für 2005 abzulehnen. Ministerium lehnte Antrag auf Fördergelder ab Das Ausbleiben der Fördergelder, an die sich „haGalil“ im Laufe der Jahre gewöhnt hat, empfinden die Macher der Internetplattform als „Ausgrenzung“ und „schreiende Ungerechtigkeit“. Die Vergabepraxis des Ministeriums erfolge nach „deutschnationalen Kriterien“, durch deren Anwendung das bewußt auf Internationalität setzende „haGalil“ benachteiligt werde. „Der ‚Aufstand der Anständigen‘, ausgestattet mit immerhin 200 Millionen Euro “ finanziere „lieber Filmabende für Eingeweihte und Buntstifte zum Ausmalen kleiner Davidsterne. Ein riesiges, im Internet 24 Stunden täglich abrufbares Bildungs- und Informationsangebot zum Judentum“ bliebe dagegen „auf der Strecke.“ Dabei stelle doch – so „haGalil“ – das eigene Portal „das einzige Angebot“ dar, welches „effektive Gegenstrategien zu rechter Propaganda im Internet“ entwickle. Das herausragende Beispiel für die Bedeutung der Plattform sehen die Verantwortlichen von „haGalil“ jedoch in ihrer Berichterstattung über den „Fall“ des hessischen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann. So habe man zum „ersten Mal eine breite Öffentlichkeit“ über Hohmanns Rede zum Nationalfeiertag 2003 „informiert“. „haGalil“ habe als erste Institution die Gefährlichkeit dieses „antisemitischen Machwerks“ erkannt, Hohmann klar und deutlich als „Antisemiten“ und „Brandstifter“ herausgestellt und die Dokumente unverzüglich an Presse, Rundfunk und Fernsehen weitergereicht. Zugleich übte „haGalil“ Druck auf den Fraktionsvorstand der CDU, die Bundesvorsitzende der CDU und den Bundestagspräsidenten aus, die ständig mit neuem „Informationsmaterial“ versorgt wurden. Von Anfang an stellte „haGalil“ dabei klar, daß es dabei nicht allein um die Person Hohmann ginge. So wurde der „Fall“ von Anfang an zu einem Feldzug gegen die gesamte „Stahlhelmfraktion“ innerhalb der CDU und gegen Konservative aller Schattierungen ausgedehnt. Selbst CDU-Chefin Angela Merkel geriet wegen ihrer angeblichen anfänglichen „Nachgiebigkeit“ gegenüber Hohmann unter massiven Beschuß von „haGalil“. Das anfangs noch rege Bestreben, ein möglichst umfassendes und differenziertes Bild des modernen jüdischen Lebens in Deutschland, Europa und in Übersee Fehl- beziehungsweise Falschinformationen entgegenzusetzen, rückte bei „haGalil“ in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund und nahm einen immer geringeren Stellenwert ein. Statt dessen wurde innerhalb der Rubrik „Deutschland“ der Sektor „Allgemein: Antisemitismus, Nationalsozialismus“ mit immer mehr Artikeln aufgebläht, was einer deutlichen Verzerrung der realen Situation von Juden in der Bundesrepublik gleichkam. Scharfe Polemik gegen bürgerliches Spektrum Unter dem Stichwort „Deutsche Zustände“ übernahm das Internetportal vollkommen unreflektiert Beiträge von Publikationen des linken und linksextremen Spektrums (Neues Deutschland, Jungle World und Junge Welt) in das eigene Angebot auf, welche fast ausschließlich scharfe Polemiken gegen weite Teile des bürgerlichen Spektrums enthielten. Doch auch die direkt für „haGalil“ verfaßten Aufsätze zeichneten und zeichnen sich in Vergangenheit und Gegenwart oft durch ein sehr bedenkliches demokratisches Bewußtsein ihrer Autoren aus. So gab sich etwa in einem Artikel, der sich im Vorfeld des Gedenktages der alliierten Bombenangriffen auf Dresden im Februar 1945 auseinandersetzte, der Autor Matthias Fischer freimütig als Anhänger und Verteidiger der geschmackloser Äußerungen des Fernsehunterhalters Stefan Raab („Dresden ist so beliebt, daß einmal 1.000 Engländer zu Besuch gekommen sind“, JF 07/05) zu erkennen, denn – so Fischer – „Kritik an den (Neo-)Nazis, die vor kurzem noch im Dresdener Landtag die Opfer der Nationalsozialisten verhöhnten, waren die Worte des Herrn Raab (…) allemal.“ Für den sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU), der wegen der Äußerungen Raabs eine Entschuldigung gefordert hatte, hatte Fischer nur Spott übrig: „Um wen sorgt sich Herr Milbradt so sehr – um die Opfer der Bombenangriffe oder um seine Klientel am rechten Rand der sächsischen CDU?“ Mit derartigen Äußerungen – die keinen Einzelfall, sondern die Regel darstellen – erwies und erweist „haGalil“ den Bemühungen um eine dauerhafte Versöhnung zwischen Deutschen und Juden einen Bärendienst. „Ehrenamtlich“ oder allein durch Spenden ließe sich die Internetplattform „haGalil“ durch ihre hohen Aufwendungen nicht betreiben, betonen nunmehr die Betreiber. Staatliche Mittel seien unbedingt erforderlich, da – „anders als gelegentlich behauptet“ – das Portal nicht „durch reiche jüdische Investoren“ gefördert würde. So richten sich die dramatisch klingenden Hilfeappelle in erster Linie an die sonst so kritisierte deutsche bürgerliche Mitte, den Druck auf die entsprechenden Kreise in den Ministerien zu erhöhen. Sollte dies nicht von Erfolg gekrönt sein – so „haGalil“ – würde bei der Einstellung der Plattform „in Fragen jüdischen Lebens wieder die National-Zeitung Freys, das Deutsche Kolleg und Horst Mahler die Definitionsmacht im Internet übernehmen“.