So schnell kann der Abstieg kommen. Vor wenigen Wochen noch war Edmund Stoiber der ungekrönte König Bayerns, erfolgreicher Ministerpräsident und unumstrittener CSU-Vorsitzender. Seit seinem völlig überraschenden Rückzug aus Berlin, wo er eine Zeitlang das Amt des Wirtschaftsministers angestrebt hatte, ist sein Ruf dahin. Auf dem Kleinen Parteitag der CSU sah sich Stoiber mit eisigem Schweigen seiner Delegierten konfrontiert, als er die Gründe für seinen Rückzug erläuterte. Eines ist sicher: Der 64 Jahre alte CSU-Chef hat den Zenit seiner politischen Karriere überschritten. Ob der Abstieg noch vor der bayerischen Landtagswahl 2008 zu Ende und Stoiber im „Austraghäusl“ angekommen ist, ist aber noch unklar. Stoibers Anhänger legten das einstimmige Votum des Kleinen Parteitages für die Große Koalition sofort als Beweis für die Geschlossenheit der CSU aus. Und natürlich auch als Votum für den Kurs des Vorsitzenden. Doch das ist übertrieben. Den CSU-Delegierten blieb nichts anderes übrig, als dem von CDU und CSU bereits beschlossenen Eintritt in die Große Koalition zu folgen. Was hätten sie machen sollen? Ablehnung hätte doch gleichzeitig bedeutet, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU zu verlassen und als kleinste Oppositionspartei im Bundestag zu sitzen. So versuchte Stoiber, der mißlichen Lage noch die besten Aspekte abzugewinnen. Die Große Koalition werde den Transrapid in München realisieren, versprach er. Man werde in Bayern vom Start des Satelliten-Navigationssystems Galileo profitieren, und auch die Grenzlandförderung werde verbessert. Entschuldigung für sprunghaftes Verhalten Steuererhöhungen habe man halt in Kauf nehmen müssen, so der CSU-Chef. Zu seinem eigenen zögerlichen und sprunghaften Verhalten sagte Stoiber, es tue ihm leid, daß die Partei durch ihn so viel Vertrauen verloren habe. Er werde alles tun, das Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Die Delegierten hörten sich ganze Passagen von Stoibers Rede schweigend an. Zu Hilfe kommt Stoiber vermutlich eine Personalie. Sein langjähriger Wirtschaftsminister Otto Wiesheu will in den Vorstand der Deutschen Bahn wechseln. Wiesheus Wechsel soll Anlaß für eine große Kabinettsumbildung sein. Die für Kenner nicht überraschend am Wochenende vor dem Kleinen CSU-Parteitag plazierte Nachricht über Wiesheu disziplinierte die CSU-Truppe sofort. Alle Landtagsabgeordneten, die sich Hoffnungen auf eines der vermutlichen drei neu zu besetzenden Ministerien oder andere in der Folge nachzubesetzende Posten machten, äußerten sich nicht mehr kritisch über Stoiber. Denn er ist es immer noch, der bestimmt, wer was wird und wer nicht. Zu den dümmsten Erscheinungen im CSU-Tollhaus gehört der Landesvorsitzende der Jungen Union, der Europaabgeordnete Manfred Weber. Der hatte im Focus von einem möglichen Putsch gegen Stoiber gesprochen, der aus der Landtagsfraktion kommen könnte. Seitdem sieht sich Weber scharfer Kritik ausgesetzt. Es könnte gut sein, daß die Karriere des Nachwuchspolitikers schon lange vor der Stoibers zu Ende geht.