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Aus afrikanischen Dörfern

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Nach den dreiwöchigen Unruhen in französischen Vorstädten scheint inzwischen wieder der Alltag zurückgekehrt. Innenminister Nicolas Sarkozy zog letzte Woche Bilanz: Es habe bislang 4.740 Festnahmen gegeben. 3.200 der Gewalttäter seien auf frischer Tat ertappt und festgenommen worden, 1.540 im Zuge nachfolgender Ermittlungen. Und „die Festnahmen werden mit dem Ende der Unruhen nicht aufhören“, kündigte der Chef der Regierungspartei UMP an, dessen Beliebtheit sich im Laufe der Unruhen – dank „kerniger“ Sprüche – enorm vergrößert hat. Laut Angaben der Generaldirektion der nationalen Polizei (DGPN) gab es 650 längerfristige Inhaftierungen. Nur etwa sechs bis acht Prozent der Festgenommenen hätten keinen französischen Paß gehabt. Nach den unmittelbaren Reaktionen der französischen Regierung – unter anderem durch die Einführung des Ausnahmezustandes (JF 47/05) bis Februar 2006 – befassen sich nun Politiker aller Couleur und Experten mit den mutmaßlichen Ursachen der gewalttätigen Ausschreitungen in den Banlieues: massive Arbeitslosigkeit, mangelnde Bildung und Qualifizierung, Konzentration von nicht-integrierten, aus dem Ausland stammenden Bürgern in den Vorstädten, kulturelle Ghettos und Parallelgesellschaften mit eigenem „Recht“. Als eine Ursache für die Gewaltnächte wurde die vor allem bei Afrikanern verbreitete Polygamie ausgemacht. „Die Polygamie und der Kulturverlust einer Großzahl von Familien tragen dazu bei, daß es schwieriger ist, einen jungen Franzosen schwarzafrikanischer Herkunft zu integrieren als einen von anderer Herkunft“, erklärte Innenminister Sarkozy in einem Interview mit der Wochenzeitung L’Express. In der britischen Financial Times hat der französische Minister für berufliche Integration, Gérard Larcher, der auch der Regierungspartei UMP angehört, sogar behauptet, solche „asoziale Praktiken“ verursachten Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. „Sicherlich ist die Polygamie eine der Ursachen der Unruhen“, meint auch der Präsident der parlamentarischen UMP-Fraktion, Bernard Accoyer: Bei diesem Thema „sind wir zu lax gewesen“. Philippe de Villiers, Chef der rechtsbürgerlich-patriotischen Partei Mouvement pour la France (MPF), befand ebenfalls, viele der jungen Leute, die die Unruhen verursacht haben, kämen aus polygamen Familien. Linke Politiker und Organisationen haben all diese Äußerungen hingegen als „widerlich und unverantwortlich“ zurückgewiesen. „Diejenigen, die diese Reden halten, gehen das Risiko ein, den Rassismus und die Xenophobie zu verstärken“, so beispielsweise die französische Liga für Menschenrechte (LDH). Nach Ansicht des Nationalsekretärs der Sozialisten (PS) für gesellschaftliche Fragen, Malek Boutih, versuche man damit, einen „Sündenbock“ zu finden. Die französische Bewegung gegen den Rassismus und für die Freundschaft zwischen den Ländern (MRAP) hat ihre „Bestürzung über die politische Hysterie“ geäußert. Der Höhepunkt der Polemik um die Polygamie war erreicht, als die linke Tageszeitung Libération berichtete, die angesehene Generalsekretärin der altehrwürdigen Académie française, Hélène Carrère d’Encausse, hätte in einem Interview mit einem russischen Fernsehsender gesagt, daß die Bewohner der Vorstädte „aus afrikanischen Dörfern“ kämen und daß viele „dieser Afrikaner“ „polygam“ seien: In vielen ihrer Wohnungen gebe es „vier Frauen und 25 Kinder“. Diese Äußerungen wurden allerdings bislang nicht bestätigt. Export der Polygamie von Afrika nach Frankreich Die Frage bleibt trotz allem offen. In Frankreich gibt es laut offiziellen Schätzungen zwischen 10.000 und 20.000 polygame Familien. Mindestens 100.000 bis 200.000 Personen wären somit betroffen, da diese Familien durchschnittlich zehn Kinder haben. Sie bekommen soziale Unterstützung, die 150.000 bis 300.000 Euro pro Jahr betragen kann. MPF-Chef De Villiers spricht sogar von 80.000 polygamen Familien, die seit 1980 nach Frankreich gezogen seien. Polygamie ist in Frankreich – wie in anderen EU-Ländern auch – gesetzlich verboten. Ein Ehemann, der zusätzlich eine zweite Frau heiratet, kann mit 45.000 Euro Geldstrafe und einem Jahr Gefängnis bestraft werden. Auch wenn sie verboten ist, „wird sie doch von einigen Bestimmungen toleriert“, erklärte Verteidigungsministerin Michèle Alliot-Marie (UMP) ganz offen in einem Interview mit Le Figaro. Zunächst haben Ausländer jahrelang die gesetzlichen Bestimmungen über den vereinfachten Familiennachzug benutzt, um auch ihre polygamen Lebensweisen nach Frankreich zu exportieren. Das Pasqua-Gesetz von 1993 (benannt nach dem rechtsgaullistischen Innenminister Charles Pasqua) verbot dann dieses Verfahren, so daß im Zuge des Familiennachzugs nur noch die Einwanderung einer Ehefrau möglich ist. In der Praxis ist die Lage dennoch konfuser, unter anderem für polygame Familien, die schon mehr als zehn Jahre in Frankreich leben. Es wäre schwierig, sie auszuweisen, da ihre Polygamie schon lange toleriert worden ist. Zwei Verwaltungsbestimmungen von 1994 und 2000 sehen zudem vor, daß ein polygamer, schon zehn Jahre hier lebender Ausländer für seine Frau(en) eine maximal ein Jahr gültige Aufenthaltsgenehmigung erhalten kann, damit ihr „Privatleben“ geachtet wird. Diese Genehmigungen können aber prinzipiell jedes Jahr neu erteilt werden. Deshalb hatte der französische Staatspräsident Jacques Chirac in seiner Rede vom 14. November die Franzosen dazu aufgefordert, „die Regeln des Familiennachzuges streng zu befolgen“. Innenminister Sarkozy sieht sogar den Familiennachzug als eine „neue Einwanderungslinie“. Der UMP-Chef hat daher ein neues Gesetz zum Thema der Einwanderung angekündigt, das die Verbindung von Einwanderung und Familiennachzug neu regeln soll. Im Namen der Gleichheit und der individuellen Freiheit bekämpft die französische Regierung die existierenden Polygamie-Fälle, aber bislang mit eher „sanften“ Mitteln. Eine Broschüre mit dem Titel „Wie die Polygamie verlassen“ wurde im Jahre 2002 von verschiedenen ministeriellen Arbeitskommissionen verfaßt, die an die rechtlichen Hauptregeln erinnert und die allmähliche Trennung zwischen dem Mann und seinen verschiedenen Frauen unterstützt, unter anderem durch konkrete Vorschläge bezüglich der Sozialwohnungen. Ein Gesetzentwurf, der den „Kampf gegen Polygamie“ fördern sollte, wurde schon 2004 von der UMP-Abgeordneten Chantal Brunel vorgestellt. Das Gesetz ist aber nie verabschiedet worden. Die Gewaltnächte haben trotz aller Zerstörungen und Verletzungen auch eine positive Auswirkung gehabt: daß „man nun es wagt, Probleme zu besprechen, die bis jetzt als Tabus betrachtet worden sind“, so Brunel. Angesichts der Polygamie-Diskussion könnte die Nationalversammlung bald erneut aufgefordert werden, sich mit Brunels Entwurf zu befassen. Foto: Vier Frauen eines afrikanischen Häuptlings: Einwanderung über äußerst großzügigen Familiennachzug

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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