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Weder westlich noch europäisch

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In vielen Fragen trennen sie Welten, doch in einem Punkt herrscht Einigkeit. Labour-Premier Tony Blair und die den konservativen Tories nahestehende Zeitung Daily Telegraph sprechen mit einer Stimme, wenn es um die Frage eines möglichen EU-Beitritts der Türkei geht. Beide, Blair und der Telegraph, sind eifrige Fürsprecher von Ankaras Beitrittswunsch. So schnell wie möglich sollte man die Türken reinlassen, finden der Premierminister und die auflagenstärkste „konservative“ Zeitung des Landes. Eine überraschende Gemeinsamkeit, die zeigt, wie meilenweit von der Realität die britische politische Klasse entfernt ist. Auf einer britisch-türkischen Gipfelkonferenz, die im Mai in Ankara stattfand, verkündete Blair, Großbritannien sei stolz, die türkische EU-Mitgliedschaft in den vergangenen Jahren nach Kräften unterstützt zu haben. „Es ist wichtig für die Türkei, es ist wichtig für Europa, und es ist auch wichtig für Großbritannien.“ Keine kulturellen oder religiösen „Hindernisse“, erläuterte Blair, dürfe man der Türkei in den Weg legen, nach Prüfung der Kopenhagener Kriterien könne im Dezember 2004 mit Beitrittsverhandlungen begonnen werden. Als kleines „Dankeschön“ erhielt Blair eine Unterschrift unter ein neues Anti-Terror-Abkommen. Blair möchte die Türkei nach Europa holen, weil er glaubt, die EU-Mitgliedschaft einer islamischen Demokratie werde die Spannungen im Nahen Osten abzubauen helfen. Vielleicht denkt Blair auch, ein türkischer Beitritt werde die Integration der britischen Muslime erleichtern -und vielleicht sogar muslimische Wähler dazu bewegen, ihm den Angriff auf den Irak zu verzeihen. Viel mehr Transferleistungen und Subventionen nötig Allgemein wird vermutet, daß Blair von den Amerikanern unter Druck gesetzt wurde. Aber man sollte Blair nicht unterschätzen. Wahrscheinlich war es seine eigene Idee. Der britische Premier, oft als Amerikas „Pudel“ dargestellt, ist sehr wohl fähig, ganz allein idiotische Dinge auszuhecken, ohne von George W. Bush dazu angehalten zu werden. Die Argumente gegen einen EU-Beitritt der Türkei liegen auf der Hand: Erstens ist das große kleinasiatische Land reich an schlecht ausgebildeten Menschen, aber arm an Technologie und Infrastruktur. Für Europa wäre es wie ein Schwamm, der Transferleistungen und Subventionen aufsaugt. Zweitens ist die Türkei keine echte Demokratie. Oberflächlich haben zwar Kemal Atatürks Reformen dem Land einen Anschein von Modernität und Demokratie gegeben. Darunter liegt aber in weiten Teilen Anatoliens eine viel tiefere Schicht Muslim-Fundamentalismus. Istanbul, die „liberalste“ und „westlichste“ Stadt, ist nicht typisch für die Türkei. Ebensowenig ist die westlich orientierte, dünne Oberschicht repräsentativ für die Masse der Bevölkerung. Der dritte Grund, der gegen einen EU-Beitritt der Türkei spricht, ist ein geographischer: Falls das Land jenseits des Bosporus Mitglied der Europäischen Union werden dürfte, hätte diese künftig gemeinsame und schwer kontrollierbare Grenzen mit der Islamischen Republik Iran, dem instabilen Irak und Syrien. Einige Millionen Menschen, die zum Islamismus tendieren, lebten plötzlich innerhalb der EU oder könnten leichter einsickern. Die Türkei paßt nicht zu Europa, weil das Land weder westlich noch europäisch ist. Ihre Kultur und Religion sind einfach zu fremd und werden Konflikte provozieren. Linke Multikulti-Ideologen, Weltverbesserer und Gleichheitsfanatiker mögen über solche Einwände lachen, doch was treibt die britischen Konservativen, denen man einen nüchternen Blick auf die Realitäten zutrauen möchte? Auf dem Kontinent sind die meisten bürgerlichen und rechten Parteien, wenn auch spät, aufgewacht und versuchen, den türkischen Drang nach Europa aufzuhalten. Britische Türkei-Europhorie hat eine lange Tradition Die britischen Tories schweigen, für sie spricht der Daily Telegraph: „Laßt unsere türkischen Freunde in die EU“, tönte das Blatt und verkündete, „die Argumente gegen die Türkei sind häßliche, gespeist von Rassismus und Bigotterie“. Die Turkophilie hat eine lange Tradition beim Telegraph. So stemmte sich die Tageszeitung gegen Premierminister William Gladstones Kampagnen gegen die Türken in den 1880er und 1890er Jahren und verteidigte 1974 die türkische Invasion auf Zypern. Ist also die gegenwärtige Türkei-Europhorie des ansonsten eher euroskeptischen Blattes ein interessantes Beispiel für übertriebene Nostalgie? Oder verbirgt sich dahinter der geheime Wunsch, der EU mit der Türkei ein Kuckucksei unterzuschieben, das die ungeliebte Brüsseler Union auf Dauer politisch handlungsunfähig machen könnte? Über die Kommentare im Daily Telegraph kann man sich oft wundern. Als kürzlich an der Universität Eton ein schuleigener Imam ernannt wurde, jubelte ein Leitartikler des Telegraph, der muslimische Geistliche werde auch den nicht-muslimischen Etonians guttun. „Die Frage, welche Beziehungen Britannien zur am schnellsten wachsenden Religion der Welt haben wird, wird eine gewichtige Rolle in ihrem Leben spielen. Wie ermutigend also, daß unsere nächste Generation von Soldaten und Staatsmännern zumindest ein wenig Ahnung vom Koran und den Hadiths haben wird. Vielleicht werden die künftigen Schlachten von Basra auf den Spielfeldern von Eton geschlagen.“ Ein solch groteskes Wunschdenken – kostümiert als historisches Bewußtsein – kennzeichnet den gegenwärtigen Zustand der unfähigen britischen konservativen Bewegung. Derek Turner arbeitete für die Telegraph-Group und ist seit 1993 Herausgeber des Londoner Magazins Right Now!

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