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Führung ohne Format

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Eine politische Grundweisheit lautet: „Wer die Geschichte nicht kennt, muß sie wiederholen!“ Das vollzieht sich nicht in allen Einzelheiten, aber im Grundsätzlichen. Systeme, Dynastien, ganze Weltreiche sind zugrunde gegangen, die teilweise Epochen, ja Jahrhunderte bestimmt, ihnen ihr Gepräge gegeben hatten. In ihren Hochzeiten galten sie als unerschütterlich. Von ihren Verehrern und Anbetern wurden sie gar als „prägende Signale einer neuen Weltgeschichte“ bejubelt, so das stalinistische „Weltsystem des Sozialismus“. An seinem Zusammenbruch hat die Welt noch geraume Zeit zu knabbern. Uns treibt die Sorge um den inneren Zustand Deutschlands um. Seit der Wiedervereinigung wurde aus uns das „kranke Kind“ Europas, aus der einstigen Lokomotive der letzte Wagen mit dem Bremserhäuschen. Kompanien von Weichenstellern reden durcheinander, um dem Zug wieder Richtung und Tempo zu geben. Doch keiner bringt einen neuen Fahrplan auf die Reihe. Die Fahrgäste vernehmen nur Rangierbetrieb und kein Fortkommen. Die Fahrdienstleitung hat nie gelernt oder vergessen, wie man einen steckengebliebenen Zug wieder in Gang bringen kann. Dabei hat dies das freie Deutschland schon einmal vorgemacht. Nach 1945 war die spätere Bundesrepublik das am meisten geschädigte und belastete Land der Welt. Vierzig Millionen Menschen hatten bei Kriegsausbruch 1939 in Westdeutschland ihr zu Hause. Dann waren große Teile zerstört. Das Rückgrat der Wirtschaft, seine Großindustrie mußte (unabhängig von den Zerstörungen) als „Rüstungsbetriebe“ geschleift werden. In die ausgebombten Städte ohne Arbeitsmöglichkeiten und Wohnungen wurden binnen weniger Monate 14 Millionen Vertriebene gepumpt, dazu kamen fünf Millionen Flüchtlinge und ausländische Rückkehrer. Anfang der fünfziger Jahre lebten hier zwanzig Millionen Menschen mehr, als jemals ansässig gewesen waren. Für sie (mehr als die SBZ/DDR jemals Einwohner hatte!) mußten Wohnungen, Arbeitsplätze, Schulen, die gesamte Infrastruktur geschaffen werden – und das alles ohne eine einzige geschenkte Mark! Es ist ja leider viel zu schnell vergessen und unseren neuen Bürgern aus dem Osten nie gesagt worden, daß der Marshall-Plan kein Geschenk, sondern ein Kredit gewesen war, der verzinst und zurückgezahlt werden mußte. Dazu kamen Besatzungskosten, Reparationen und Wiedergutmachungsleistungen. Wenn heute Gerhard Schröder noch über die Kohl’sche „Erblast“ jammert, so sei ihm gesagt, daß die von Konrad Adenauer und Ludwig Erhard übernommene von ganz anderer Dimension gewesen war. Mit einem Unterschied: Nach sechs Jahren Regierungszeit sprach die Welt bereits vom „deutschen Wirtschaftswunder“. Wie es dazu kam? Vor allem mit viel weniger Staat. Die Abgabenlast des Normalverdieners lag bei 35 Prozent. Das Gesetzes- und Verordnungswesen war minimal. Wer etwas ins Werk setzen wollte, erhielt die Genehmigungen in seiner Gemeinde. Die bundesdeutsche Bürokratie wieder darauf zurückzustutzen, kostet keinen Cent – es erfordert nur politischen Mut, staatsmännisches Format und intime Kenntnis der eigenen Geschichte. Von alledem läßt unser gegenwärtiges Führungspersonal auch nicht die Spur erkennen.

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