Wahrscheinlich wußte der brandenburgische Kommunalpolitiker Egon Wochatz (CDU) nicht, wie ihm geschah. Seit etwa zwei Wochen ist der Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten im Kreistag Spree-Neiße Gegenstand einer Medienkampagne. Er war zur falschen Zeit am falschen Ort. Und das – so ist es vom kleinsten Regionalblatt bis hin zu Spiegel-Online nachzulesen – nicht zum ersten Mal. Der 67jährige Wochatz soll am ersten Juni-Wochenende im heimischen Spremberg, wo er von 1990 bis 2002 Bürgermeister war, an einem Treffen von etwa 30 ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS-Panzerdivision „Frundsberg“ teilgenommen haben. Wochatz habe – „wie jedes Jahr“ – die Gruppe in der Gaststätte Georgenberg begrüßt. Die Division „Frundsberg“, benannt nach dem Landsknechtsführer Georg von Frundsberg, kämpfte in Spremberg im April 1945 gegen die auf Berlin marschierende Rote Armee. Eine Beteiligung an Kriegsverbrechen konnte man den Frundsbergern nicht nachweisen, soviel steht fest. Dennoch erscheinen nun täglich neue Berichte, Details aus Wochatz‘ Zeit als Bürgermeister von Spremberg werden herangezogen, um ihm eine rechtsextremistische Gesinnung nachzuweisen. So sei seine Beziehung zu den Frundsbergern nichts Neues. Bereits als Rathauschef habe er sich sogar für einen Gedenkstein für die Waffen-SS-Division eingesetzt. Dieser sei sogar bereits angeliefert und seine Aufstellung sprichwörtlich „in allerletzter Sekunde“ vom Spremberger Stadtrat verhindert worden. Schnell erkennt die brandenburgische SPD die Gunst der Stunde – die Landtagswahlen stehen bevor, und in Umfragen liegt die SPD, die gemeinsam mit der Union regiert, weit abgeschlagen hinter der CDU. Machtwechsel liegt in der Luft. Da kommt Wochatz gerade recht. Schnell und routiniert werden die Vokabeln des „Kampfes gegen Rechts“ in die Debatte geworfen – unisono von der PDS über die Grünen bis zur SPD. Sofort handelte der SPD-Landrat des Kreises, Dieter Friese, indem er einen Brief an Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) und seinen Stellvertreter Jörg Schönbohm (CDU) aufsetzte. Darin regte Friese nebulös „geeignete Schritte“ gegen Wochatz an. Schließlich sei man „in tiefer Sorge“ um den Ruf des Landkreises. Platzeck nahm den Ball auf und erhob das Thema zur Landespolitik. Es handle sich um einen „unerhörten Vorgang“, so Platzeck. Die Union könne und dürfe nicht zur Tagesordnung übergehen. Dabei hätte Platzeck durchaus schon früher auf die Anwesenheit von Waffen-SS-Veteranen in Spremberg kommen können. Nach JF-Recherchen nächtigte der Ministerpräsident zur gleichen Zeit wie die Waffen-SS-Kameradschaft Frundsberg im Spremberger Hotel „Wildtränke“. Platzeck besuchte zu der Zeit als Schirmherr die „4. Folklore-Lawine“. Auch der Spitzenkandidat der brandenburgischen Grünen zur Landtagswahl, Wolfgang Wieland, nutzt die Gelegenheit zum Wahlkampf. Das Verhalten der CDU sei für eine „demokratisch gesinnte Partei völlig unverständlich“. Wochatz‘ Besuch sei ein „schauerlicher Höhepunkt im Wirken des Kommunalpolitikers“. Schönbohm müsse dem „Spuk ein sofortiges Ende“ bereiten, so Wielands Forderung. „Nach dem Fall Hohmann machte die CDU glauben, daß sie aus dieser unrühmlichen Vergangenheit gelernt habe. Bei Herrn Wochatz ist hierfür der Beweis anzutreten.“ Und wieder ließ sich die Union „in die Zange nehmen“ – so formulierte Schönbohm die linke Strategie des „Kampfes gegen Rechts“ im Interview mit der JUNGEN FREIHEIT im November 2002. So stellte sich ausgerechnet die Junge Union (JU) Brandenburgs an die Spitze des Anti-Wochatz-Protestes. Statt Partei-Solidarität hagelte es finstere Schmähungen. Die JU empfinde „zunehmend Ekel und Entsetzen, mit ihm in derselben Partei zu sein“, heißt es in einer Erklärung. Wochatz habe jetzt eine „letzte Chance zum selbstbestimmten Abschied“ formulierte der brandenburgische JU-Vorsitzende Sebastian Schütze zweideutig. Auch die Mutterpartei tappte beherzt in die „Antifa-Falle“ und distanzierte sich von ihrem verdienten Kommunalpolitiker – allerdings im Unterschied zur JU nicht, ohne ihm die Chance zu Bewährung zu geben. „Egon Wochatz hat gegenüber dem CDU-Kreisverband Spree-Neiße erklärt, daß er künftig nicht mehr an derartigen Treffen teilnehmen wird und sich eindeutig von rechtsextremen Verhaltensweisen distanziert. Er sieht seinen Fehler ein.“ Dabei gab selbst Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) 1952 eine umfassende Ehrenerklärung ab, welche „auch die Angehörigen der Waffen-SS umfaßt, soweit sie ausschließlich als Soldaten ehrenvoll für Deutschland gekämpft haben.“ Ohne Zweifel gilt dies für die Waffen-SS-Division „Frundsberg“. Doch für eigene Parteigeschichte schien angesichts des moralischen Drucks von links keine Zeit. Es schlägt die Stunde der Experten, die über Wochatz richten dürfen. Zu Wort kommt unter anderem der linke Berliner Historiker Wolfgang Wippermann, der ebenfalls Wochatz‘ sofortigen Rücktritt fordert. Daß man ausgerechnet mit Wippermann den Bock zum Gärtner macht, scheint niemanden zu interessieren. Denn Wippermann scheut seinerseits keinen Kontakt zu ausgewiesenen Linksextremisten. In der linksradikalen Zeitschrift Jungle World diffamiert Wippermann die Forschungsgruppe SED-Staat als „Meister der politischen Demagogie“. Die CDU hat im Umgang mit solchen Kampagnen anscheinend immer noch wenig gelernt. Denn bis zu den Landtagswahlen in Brandenburg ist noch Zeit, und der Fall Wochatz geht bereits in die nächste Runde. Denn nun wird der 29jährige CDU-Landtagskandidat des Kreises, Andreas Kottwitz, ins Visier genommen. Sein Vergehen: Er verfaßte das Buch „Spremberg als Frontstadt“, wo die Ereignisse im Jahr 1945 beschrieben werden. Dort, so der Vorwurf des Neuen Deutschland, kämen auch Soldaten der Waffen-SS, die in Spremberg stationiert waren, zu Wort. Wochatz wird als Kottwitz‘ Ziehvater bezeichnet, womit das ND bereits die weitere Stoßrichtung der Kampagne gegen Kottwitz andeutet. Bislang hat sich die eigene Partei noch nicht gegen Kottwitz gewandt.