Die kleineren bürgerlichen Parteien sind neben der SPD die großen Verlierer der Hamburger Bürgerschaftswahl. Das hervorragende Abschneiden der CDU, die mit 47,2 Prozent und 63 Sitzen die absolute Mehrheit erreichte, bewirkte die Marginalisierung dieser Mitbewerber. Ronald Schill, der es 2001 mit einem Stimmenanteil von 19,4 Prozent als politischer Neueinsteiger auf Anhieb in die Bürgerschaft brachte und so den Machtwechsel zum bürgerlichen Senat erst ermöglichte, konnte nach dem Zerwürfnis mit der von ihm gegründeten Partei Rechtsstaatlicher Offensive nicht wieder an diesen Erfolg anknüpfen. Zwar verhalf er der mit seinen Getreuen fusionierten Partei Pro Deutsche Mitte (ProDM/Schill), die bei der letzten Wahl nur 0,2 Prozent erhalten hatte, zu einem Ergebnis von 3,1 Prozent und damit an die vierte Stelle aller angetretenen Listen, doch nützte dieser Achtungserfolg unterhalb der Fünf-Prozent-Marke nichts. Der vor der Wahl vollmundig angekündigte Wiedereinzug ins Rathaus blieb auch dem einst als „Richter Gnadenlos“ bekannten späteren Innensenator Schill verwehrt. Verpufft ist damit auch seine Ankündigung, die CDU werde wieder mit ihm koalieren und von Beust dafür in die Wüste schicken. Lediglich in seinem Stammbezirk Wilhelmsburg konnte der „Rechtspopulist“ mit einem Anteil von 8,2 Prozent Zustimmung punkten. Das Thema Innere Sicherheit, von Schill 2001 noch mit Erfolg besetzt, hatte nicht mehr die wahlentscheidende Bedeutung. Die unbestreitbaren Erfolge, die er als Innensenator für die Hansestadt verbuchen konnte – ein Zurückdrängen der offenen Drogenszene und die Aufstockung der Polizei -, machten seine Wiederwahl offensichtlich unnötig. Außerdem war es nach dem Eklat des letzten Herbstes Bürgermeister Ole von Beust gelungen, Schill in der Öffentlichkeit als Alleinschuldigen für den Bruch der Bürgerblock-Koalition darzustellen. Schuld am schlechten Abschneiden und dem wider Erwarten verpaßten Einzug in die Bürgerschaft sind nach Schills Angaben „diffamierende Kampagnen der Lokalpresse“ sowie der Bürgermeister von Beust höchstpersönlich. Der habe seiner heimlichen Freude über massenhaft zerstörte Schill-Plakate Ausdruck verliehen und seine Behörden nicht genügend dagegen einschreiten lassen. Außerdem hätten zu Unrecht Senatoren mit ihrer Amtsbezeichnung für Beust geworben, obwohl sie selbst nicht als Abgeordnete zur Wahl standen. Aus diesem Grund kündigte Schill an, die Rechtmäßigkeit der Wahl anzufechten. Noch schlechter als Schills Partei steht die FDP da, die es auf lediglich 2,8 Prozent brachte. Sie hatte sich – so der parteiinterne Vorwurf – ihrer Selbständigkeit entkleidet und versucht, als Mehrheitsbeschaffer für die Union zu fungieren. Doch deren Höhenflug machte ein Kreuz bei den Liberalen überflüssig, außerdem strafte der Wähler sie für offenkundige handwerkliche Fehler im von FDP-Senatoren zu verantwortenden Bildungsressort ab. Als desaströs ist das Wahlergebnis für die Partei Rechtsstaatlicher Offensive zu beschreiben: Nicht einmal ein halbes Prozent, absolut nur 3.042 Stimmen erreichte der ehemals zweitstärkste Partner in der bürgerlichen Koalition. Obwohl diese Partei den zweiten Bürgermeister und zwei weitere Senatoren stellte, blieb sie in der Wählergunst schlechter als der als karnevalesker Einzelbewerber gestartete Transvestit „Olivia Jones“, der gut einhundert Stimmen mehr erhielt. Zweifellos ist das Hamburger Wahlergebnis ein Todesstoß für die einst als Hoffnungsträger rechts der Union gestartete Gruppierung. Und schon unmittelbar nach der Wahl waren die Auflösungserscheinungen sichtbar: Parteichef Mario Mettbach trat am Montag zurück, Spitzenkandidat Dirk Nockemann, der Nachfolger Schills als Innensenator, trat am Dienstag gar aus der Partei aus. Für sie persönlich immerhin dürfte sich – zumindest finanziell – der kurze Ausflug in politische Spitzenämter gelohnt haben. Noch drei Monate lang erhalten sie ihre vollen Bezüge als Senatoren. Neben dem bisherigen Gesundheitssenator Peter Rehaag denken auch andere Mitglieder der Noch-Fraktion inzwischen laut über einen Wechsel zur CDU nach. Es bleiben Nachhutgefechte und blaue Polizeiuniformen Vor einem solchen Scherbenhaufen stehen dann am kommenden Wochenende die Delegierten des Bundesparteitags der „Offensive“, der wohl nicht ohne Grund erst nach der Hamburgwahl stattfindet. Laut Markus Wagner, einem der stellvertretenden Bundesvorsitzenden, wird sich dort entscheiden, ob man sich als Protestpartei etablieren könne oder als „Partei der vertanen Chancen“ in die Geschichte eingehen werde: „Eine ‚bessere‘ CDU braucht keiner, der Schmusekurs in Hamburg hat sich nicht ausgezahlt“, so Wagner im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Vordringlichste Aufgabe des Parteitags werde die innerparteiliche Konsolidierung sein, ein Ende des Streits zwischen Schill-Anhängern einerseits und denen des Mettbach-Kurses andererseits. Gehe die Partei aber ihren derzeitigen Weg weiter, sei ihr Ende nur noch eine Frage der Zeit, so Wagner, dem ein Interesse an der Nachfolge des zurückgetretenen Mettbach nachgesagt wird. Zur Diskussion steht am Samstag auch die Vorgehensweise des bisherigen Bundesvorstands gegen Parteigründer Schill, dessen Rauswurf der Parteitag für unrechtmäßig erklären könnte. Doch ob Schill nun wieder in den Schoß seiner Getreuen innerhalb der Partei Rechtsstaatlicher Offensive zurückkehren oder aber getreu seiner Ankündigung nach Südamerika auswandern wird: Die Hoffnungen auf eine dauerhafte politische Kraft rechts von der Union, die zudem einen potentiellen Koalitionspartner darstellt, scheinen nach zweijährigem Zwischenspiel in Hamburg zerstoben. Was von Schills einstigem rasanten Aufstieg bleibt, sind ein paar Nachhutgefechte und blaugewandete Polizisten. Foto: Ronald Schill: Der kurze Ausflug in die Spitzenämter hat sich zumindest finanziell gelohnt