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Zu groß, um klein und zu klein, um groß zu sein

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Zu groß, um klein und zu klein, um groß zu sein

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Cato, Palmer, Exklusiv

Die in der letzten Januarwoche von den jeweiligen Parlamenten abge-segnete „Union“ Serbien-Montenegro ist ein Konstrukt, von dem man nicht weiß, ob es ein Staat ist, denn er hat weder eine gemeinsame Währung, noch eine Fahne und auch keine Hymne. Und wenige Tage nach der Gründung zeichnen sich bereits Turbulenzen ab. Die Wiederholung der Präsidentenwahlen in Montenegro ging auch diesmal wieder daneben, da die Wahlbeteiligung letzten Sonntag wieder unter 50 Prozent lag. Parlamentspräsident Filip Vujanovic, der mit 82 Prozent zum zweiten Mal eine klare Mehrheit der Stimmen erringen konnte, sprach sich – wie Ministerpräsident Mile Djukanovic – für eine Wahlrechtsreform aus. Die Anhänger der verblichenen „Bundesrepublik Jugoslawien“ hatten den Urnengang erfolgreich boykottiert. Die allgemeine politische Apathie tat ein übriges. Der Chef der Sozialistischen Volkspartei (SNP), Dragan Koprivica, nannte das Ergebnis „eine Warnung an die Europäische Gemeinschaft und an die Regierung in Podgorica, die in der Bevölkerung keine große Unterstützung mehr hat“. Die Auseinandersetzung zwischen Montenegro-„Separatisten“ wie Djukanovic und den „Groß-Serben“ ist also auch im Land der Schwarzen Berge keineswegs entschieden. Gewiß hat der Unabhängigkeitskurs von Djukanovic zur Zeit die besseren Chancen. Aber was in drei Jahren sein wird, wenn – laut der neuen Unionsverfassung – jeder der Beteiligten über einen Austritt aus der Gemeinschaft abstimmen kann, ist heute nicht zu übersehen. Djukanovic glaubt, daß Montenegro als unabhängiger Staat wesentlich besser fahren werde als in einer Verbindung mit Serbien, das „zu groß ist, um klein und zu klein, um groß zu sein“. Der montenegrinische Premier, ursprünglich ein Lieblingskind des Westens im Kampf gegen den serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic, sah sich mit dessen Sturz und Auslieferung ans Haager Kriegsverbrechertribunal plötzlich vom Westen fallengelassen: Man brauchte den Widerstand Montenegros im Kampf gegen Belgrad nicht mehr. Die alte Furcht westlicher Politik vor den „Separatisten“ setzte sich erneut durch: Nach Montenegro würde sich das Kosovo mit seiner albanischen Mehrheit für unabhängig erklären – danach könnte die ungelöste bosnische Frage erneut aufkommen. Also wurde der EU-Außenpolitiker Javier Solana – der als Spanier einen Horror vor „Separatisten“ (ETA-Basken, Katalanen) hat – losgeschickt, um den störrischen Montenegrinern wenigstens eine Union mit Serbien abzutrotzen. So kam neue Gebilde zu seinem Spitznamen: „Solania“. Ob diese EU-Konstruktion lange Bestand haben wird, ist zweifelhaft. Auf der Seite Serbiens hat sich der „Westler“ Zoran Djindjic als Premier gegen seinen Rivalen, den „gemäßigten Nationalisten“ Vojislav Kostunica durchgesetzt. Letzterer verlor mit dem Verschwinden des bisherigen gemeinsamen Staates sein Amt als jugoslawisches Staatsoberhaupt. Djindjic hat für seine DOS-Fraktion 47 der insgesamt 92 Sitze im gemeinsamen serbisch-montenegrinischen Parlament reserviert. Den großserbisch gesinnten Kräften hielt er entgegen, der lockere Staatenbund sei zwar nicht optimal, aber die einzig realistische Lösung. Serbien, so Djindjic, befinde sich, was die Entwicklung des Landes betreffe, auf dem Niveau eines afrikanischen Staates. Im namenlosen Gesamtstaat Serbien-Montenegro soll der montenegrinische Ex-Parlamentspräsident Svetozar Marovic – ein Vertrauter von Djukanovic – Präsident werden. Die Ressorts Wirtschaft und Außenhandel gehen gleichfalls an Montenegro. Als Außenminister soll der bisherige jugoslawische Inhaber dieses Amtes, der Serbe Goran Svilanovic fungieren. Verteidigungsminister wird Zoran Zivkovic – ein Gefolgsmann von Djindjic. Eine weitere Schwierigkeit kündigt sich an: im Kosovo hat bei den Albanern jene Formulierung der neuen Verfassung, wonach die mehrheitlich von Albanern bewohnte frühere Provinz ein Teil Serbiens sein soll, Empörung ausgelöst. Gegen den Widerstand der UN-Verwaltung und des Westens wollen die Kosovo-Albaner auf der Bildung eines eigenen Staates bestehen. Der Westen versucht das mit allen Mitteln zu hintertreiben – aber in der Praxis scheint es unmöglich, irgendeine serbische Verwaltung oder Präsenz in den mehrheitlich von Albanern bewohnten Gebieten durchzusetzen – es sei denn, man nimmt einen bewaffneten Aufstand in Kauf. Djindjic läßt aber nicht locker: Er verlangte unlängst eine Stationierung von tausend – einstweilen symbolischen – serbischen Soldaten und Polizisten im Kosovo. Aber selbst die größten Uno-Optimisten vor Ort wissen, daß allein schon ein solcher Schritt erhebliche Unruhe auslösen müßte. So hält das kleine und an sich arme Montenegro einen der Schlüssel zur Balkan-Problematik in den Händen. Geht es den Weg der Unabhängigkeit, wird dem Westen nichts übrigbleiben, als das zu akzeptieren – auch wenn die Kettenreaktion dann auf das Kosovo übergreift. Aber damit nicht genug: Kommt Serbien zur Erkenntnis, daß das Kosovo endgültig verloren ist, könnte Djindjic (oder sein Nachfolger) Kompensation verlangen – und zwar in Bosnien. Serbien könnte sich dann die „Republika Srpska“ – den serbischen Staat auf bosnischem Boden – formell einverleiben. Auch das würde mit erheblichen Konvulsionen einhergehen. Die Hoffnung des Westens, durch Anhebung des Lebensstandards den nationalen Eifer der Serben und anderer Nationen einzudämmen, hat sich – mangels Masse – bis jetzt nicht erfüllt. Im Gegenteil: die allgemeine Wirtschaftskrise hat im Südosten zu einer Stärkung der jeweils nationalen Elemente geführt. Das zeigt sich an einem bezeichnenden Beispiel: Obwohl Milosevic schon längst vor dem Haager Tribunal steht, ist es bis heute nicht gelungen, des serbischen Milizenführers Radovan Karadzic und des für das Massaker von Srebrenica verantwortlichen Generals Ratko Mladic habhaft zu werden. Angeblich sollen westliche Truppen wissen, wo sich die beiden Gesuchten in etwa aufhalten – aber man befürchtet im Falle der Verhaftung solche Unruhen, daß man um des lieben Friedens willen die Finger davonlasse. Für Montenegro wird sich in den kommenden Jahren entscheiden, ob die Unabhängigkeit tragfähig sein wird. Das aber wiederum wird auf die ganze Region abfärben – positiv wie negativ.

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