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Urnenstreit stört Totenruhe

Urnenstreit stört Totenruhe

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Soll das Behältnis mit der Totenasche außerhalb eines Friedhofs aufbewahrt oder beigesetzt werden, darf die Behörde dies genehmigen…“. So heißt es im Paragraphen 15 des Gesetzentwurfes der Landesregierung Nordrhein-Westfalen über das Friedhofs- und Bestattungswesen, der in diesen Tagen erneut kontrovers diskutiert wird und als Vorlage auch in anderen Bundesländern auf Interesse stößt. Freilich sieht der Gesetzentwurf vor, daß die Aufbewahrung und Beisetzung einer Urne außerhalb eines Friedhofes nur unter bestimmten Bedingungen möglich gemacht werden soll. So etwa wird ein würdiger Umgang mit der Totenasche und die Wahrung der Totenruhe zur Voraussetzung gemacht, ebenso wie nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist die Beisetzung des Behältnisses vorgeschrieben wird. Auf die Länge dieser Frist wird in der Gesetzesvorlage jedoch nicht näher eingegangen. Doch die geplante Gesetzesänderung geht noch weiter. Auch sarglose Bestattungen, wie sie beispielsweise im islamischen Ritus praktiziert werden, sollen zukünftig erlaubt sein. Die Verstreuung der Asche eines Verstorbenen auf Friedhöfen, und unter bestimmten Voraussetzungen auch außerhalb von Friedhöfen, will der Gesetzgeber künftig zulassen. Die Gefühlswelt vieler Bürger könnte verletzt werden Trotz des ernsten Themas ist ein heftiger Streit zwischen den Gegnern und Befürwortern der Aufhebung des Friedhofszwangs entbrannt. „Moralisten sind empört, Unternehmer und Kirchen fürchten um ihre Pfründen“, stellt etwa der Spiegel letztes Jahr fest. Die Gegner des Friedhofszwangs führen vor allem an, daß ihr Gegenpart in erster Linie von wirtschaftlichen Interessen geleitet sei. Und in der Tat: Bestattungen sind in Deutschland ein lohnendes Geschäft. Für eine herkömmliche Bestattung mit Trauerfeier und Grab müssen im Durchschnitt etwa 5000 Euro bezahlt werden. Groß ist daher auch der Widerstand gegen den Gesetzentwurf von Seiten der Bestatter, Steinmetze oder etwa des Deutschen Städtetags, der Einnahmeverluste für die Kommunen befürchtet. Aber auch aus christlicher und konservativer Sicht wird die geplante Gesetzesänderung zum Teil stark kritisiert. So stellte etwa Burkhard Brunn im Rheinischen Merkur fest, daß „der Tod als ein allgemeines Phänomen, nicht als ein bloßes individuelles Ereignis“ zu verstehen sei. Der Friedhofszwang gewährleiste die Öffentlichkeit des Verstorbenen, die Zugänglichkeit der Grabstelle ermögliche es überdies jeder Person, dem Toten seine Reverenz zu erweisen. Eine Beisetzung der Totenasche an beliebigen Orten verletze außerdem die Gefühlswelt vieler Bürger, glauben andere Verfechter des Friedhofszwangs. Auch der würdevolle Umgang mit der Urne in heimischen Gefilden wird in Zweifel gezogen: Was etwa könnten die kleinen Enkel des Verstorbenen mit der Urne anstellen? „Warum die Urne nicht öffnen und allerlei Schabernack mit der Asche treiben?“, fragt der Rheinische Merkur. Weitere Probleme ließen sich anschließen: Was etwa soll mit einer Urne geschehen, die im heimischen Garten bestattet wurde, wenn das Grundstück verkauft oder das Haus abgerissen wird? „Kulturgeschichtlich war die Bestattung immer eine Gemeinschaftsaufgabe der Gesamtheit“ resümiert die Evangelische Amtskirche und verweist auf die Schranken der Handlungsfreiheit des einzelnen, wenn es um die Pflege des sozialen Zusammenlebens geht. Gerade dieser Punkt ist es dann auch, den die Gegner des Friedhofszwangs vehement kritisieren. „Die Verrechtlichung des Todes, die Normierung des Bestattungs- und insbesondere des Friedhofswesens – und die damit verbundene totale Entmündigung der Bürger – hat hierzulande ein Ausmaß angenommen, das mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht mehr kompatibel ist“, glaubt das Internetprojekt postmortal.de, das zu den schärfsten Kritikern der derzeit noch gültigen Rechtslage zählt. Sowohl der letzte Wille des Verstorbenen, als auch die Bedürfnisse der Hinterbliebenen würden durch den Friedhofszwang übergangen. Gerne verweist man in diesem Zusammenhang auch auf das Entstehungsjahr des noch gültigen Feuerbestattungsgesetzes, welches 1934 erlassen wurde. Bernd Bruns, einer der Protagonisten der Liberalisierung des Gesetzes, kritisiert daher auch die von den Nationalsozialisten eingeführte Regelung als „Fremdkörper in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.“ Seine Vorstellungen zu einer liberalen Gedächtniskultur lassen sich auf dem Friedhof in Gladbeck bestaunen: Dort ließ er für seine Mutter eine Grabplatte anbringen, auf der neben dem Foto der Frau eine Internetadresse verzeichnet ist, unter der eine virtuelle Gedenkstätte für die Verstorbene zu finden ist. Ganz zufrieden sind allerdings auch die Gegner des Friedhofszwangs mit der geplanten Gesetzesänderung nicht. Da die Aushändigung der Totenasche an die Angehörigen von den örtlichen Ordnungsbehörden genehmigt werden muß, befürchtet man willkürliche Entscheidungen. Eine den Friedhofszwang nicht direkt unterlaufende Möglichkeit der Bestattung wird bereits in Rostock angeboten: Dort kann die Asche Verstorbener auf dem dortigen Westfriedhof auf einer Wiese ausgestreut werden. Ein Krematorium in Celle bietet außerdem an, den Hinterbliebenen die Asche ihrer Angehörigen in einem Amulett auszuhändigen, daß diese dann mit nach Hause nehmen können. Eine weitere Aushöhlung des Friedhofszwangs ergibt sich aus den liberalen Bestimmungen in den Niederlanden, die auch Deutsche nutzen. Konkret funktioniert das folgendermaßen: Nach der Einäscherung wird das Krematorium mit der Ausfuhr der Urne in die Niederlande beauftragt, vorgeblich, um die Urne dort bestatten zu lassen. Von dort kann die Urne dann wieder mit nach Hause genommen werden, ohne daß eine Bestattung erfolgt wäre. Eine Prozedur, die nicht legal ist, deren Ausführung jedoch kaum zu verfolgen ist. Welche Grenzen werden im Gesetzentwurf noch gesetzt? Daß die Liberalisierung der Bestattungskultur in Deutschland zumindest Grenzen finden sollte, erscheint in Anbetracht recht seltsamer Aufbahrungsriten in anderen Kulturen geboten. Denkt man beispielsweise an den Ritus der indischen Religionsgemeinschaft der Parsen, so beschleicht einen doch ein gewisses Unbehagen. Die Leichen verstorbener Parsen werden nämlich, um die heiligen Elemente nicht durch Bestattung oder Verbrennung zu verunreinigen, auch heute noch auf offenen Totentürmen, den „Türmen des Schweigens“ aufgebahrt und so den Geiern zum Fraß dargeboten. Sicher ist zumindest, daß ein solcher Ritus mit dem Gesetzentwurf der nordrhein-westfälischen Landesregierung nicht in Einklang zu bringen ist.

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