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„Im Nahen Osten hat man so etwas täglich“

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„Im Nahen Osten hat man so etwas täglich“

 

„Im Nahen Osten hat man so etwas täglich“

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Mit einer großen Parade hat Osttimor letzte Woche den ersten Jah-restag seiner Unabhängigkeit gefeiert. Rund zehntausend Menschen versammelten sich zur offiziellen Zeremonie in der Hauptstadt Dili. Präsident Xanana Gusmão grüßte in einer Ansprache „das selbstlose Volk von Osttimor“, das in der Vergangenheit Ruhe und Toleranz bewiesen habe. In einer Schweigeminute gedachten die Osttimoresen der Opfer während der 24jährigen indonesischen Gewaltherrschaft. Im Oktober 1999 errichtete die Uno in dem südostasiatischen Land eine Übergangsregierung, die bis zur Unabhängigkeit am 20. Mai 2002 andauerte. Die Untaet (United Nations Transitional Administration in East Timor) war die bislang teuerste Uno-Mission, ermöglichte dem ehemaligen Portugiesisch-Timor aber erst einen Neuanfang. Bereits 1975 hatte Portugal seine Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen. Die Freiheit nach 450jähriger Kolonialzeit währte aber nicht lange. Mit Duldung der USA marschierten am 7. Dezember 1975 indonesische Truppen in das Land ein. Die Amerikaner befürchteten damals ein zweites Kuba, proklamierten doch in Osttimor zunächst Marxisten die Unabhängigkeit. Indonesien, der größte islamische Staat der Welt, annektierte den mehrheitlich katholischen Osten der Insel Timor. Mittels Polizei und Militär unterdrückten die Indonesier in den folgenden 24 Jahren jegliche Freiheitsbestrebungen. Rund 200.000 Timoresen kamen dabei ums Leben. Am 30. August 1999 durfte das Land zwischen Autonomie und Unabhängigkeit abstimmen. Eine überwältigende Mehrheit von 78 Prozent entschied sich für die Loslösung von Indonesien. Die bereits im Vorfeld eskalierte Gewalt erreichte danach einen Höhepunkt. Die Armee und die Zivilverwaltung der Indonesier unterstützten dabei Milizen, die ihnen gewogen waren. Die Milizionäre brachten 2.000 Timoresen um, 200.000 Menschen flüchteten in den Westen der Insel. Schwieriger Prozeß des nationalen Aufbaus Die“Demokratische Republik von Timor Leste“ steht nun vor großen Herausforderungen: „Welche Politik wir auch immer im nächsten Jahr verfolgen werden: Wir müssen dabei berücksichtigen, daß die Lebensbedingungen unseres Volkes das schwächste Glied in der Kette dieses zunehmend schwierigen Prozesses des nationalen Aufbau sind“, sagte Gusmão in seiner Festrede. In der Tat sind die Armut groß und die wirtschaftlichen Probleme gravierend. Selbst im Straßenbild der Hauptstadt spiegelt sich das wider, wo hinter zahlreichen Häusern und Hütten Äcker zu sehen sind. Viele Familien müßten hungern, bauten sie nicht hinter ihrer Behausung noch ein wenig Obst und Gemüse an. Schweine suhlen sich neben Wellblechhütten im Schlamm, dazwischen spielen Kinder. Sie können sich leicht beim Vieh mit Krankheiten anstecken oder Würmer holen. Manches Kind hat gar keine Haare auf dem Kopf, eine Folge von Mangelerscheinungen. Nahezu acht Prozent der Babys sterben im ersten Lebensjahr. Die hygienischen Verhältnisse sind miserabel, zudem fehlt es vielfach an professioneller ärztlicher Versorgung. Fast alle Ärzte waren Indonesier, die natürlich 1999 abwanderten. Dazu kommt, daß der Weg zur nächsten Krankenstation weit sein kann. Obwohl Osttimor gerade mal so groß wie Sachsen oder Thüringen und in 13 Distrikte unterteilt ist, kann es bis zu drei Stunden dauern, um in die jeweilige Distrikthauptstadt zu kommen. Im Dezember kam es zu Unruhen in Dili (JF 51/02 berichtete). Die Demonstranten gaben der Regierung die Schuld an Armut, Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Der Mob plünderte und brandschatzte Häuser und Geschäfte, so auch einen australischen Supermarkt. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben. Auch das Privathaus von Premier Mari Alkatiri ging in Flammen auf. Er ist der einzige Muslim im Kabinett und jemenitischer Abstammung. „Ich habe das schon zwei Stunden vorher kommen sehen“, sagte Alkatiri in einem Interview. Seine unmittelbare Sorge habe aber der nationalen Sicherheit gegolten, auch wenn er sein Haus „wieder ganz neu bauen muß“, fügte er hinzu. Er sieht den Grund für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten jedoch nicht in der Politik seiner Regierung. „Das ist die Erbschaft aus den Jahrzehnten zuvor“, sagte er mit Anspielung auf die indonesische Besatzung. Schon 1996 war Osttimor eine der ärmsten Provinzen des indonesischen Archipels. Damals betrug die Arbeitslosigkeit unter den Einheimischen sechs Prozent und die Unterbeschäftigung elf Prozent. Viele wichtige Berufe, wie die der Lehrer und Ärzte, wurden von eingewanderten Indonesiern ausgeübt. Dem Zerstörungsfeldzug um das Referendum von 1999 fielen dann 80 Prozent der Infrastruktur und damit weite Bereiche des wirtschaftlichen Lebens zum Opfer. Noch im Jahr 2001 betrug die Arbeitslosigkeit siebzig Prozent, derzeit ist jeder Zweite ohne richtige Beschäftigung. Grund genug für Studenten ohne Zukunftsaussichten, auf die Straße zu gehen. „Die Gewalt im vorigen Dezember kann nicht als Barometer für die Beurteilung der Situation in Timor Leste hergenommen werden“, sagte der Präsident in seiner Ansprache. In der Tat betrachten Beobachter die Unruhen als Ausnahmesituation, denn die Polizisten des jungen Staates werden derzeit noch von der Uno geschult, bis die Mission Unmist (United Nations Mission of Support in East Timor) im Juni nächsten Jahres beendet wird. So lange sichern UN-Friedenstruppen auch die Grenze zum Westteil der Insel, in dem sich noch pro-indonesische Milizen aufhalten. Ein kanadischer UN-Offizier meint: „Es gab in den vergangenen Jahren nur einen einzigen Zwischenfall. Im Nahen Osten hat man so etwas täglich. Es gibt also keinen Grund, hier nicht im kommenden Jahr abzuziehen.“

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