Der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens wittert „neurechte“ Gefahr „für die demokratische Kultur“. „Systematisch“ – so heißt es in einer Agenturmeldung, die Ende April an sämtliche Redaktionen ging – „bemühten sich intellektuelle Rechtsextremisten, die Ideologie der Szene auf eine theoretische Basis zu stellen und die Meinungsführerschaft zu erlangen“. Und der „Rechtsextremismus im intellektuellen Gewand“, so Behrens, bedrohe die Demokratie „nicht weniger als dumpfe Gewalttäter.“ Für den Innenminister macht es hierbei offensichtlich keinen Unterschied, ob er von einer „Neuen Rechten“, „intellektuellen Rechtsextremisten“ oder dem „Rechtsextremismus im intellektuellen Gewand“ spricht. „Organ“ der „Neuen Rechten“ sei die JUNGE FREIHEIT. Der eigentliche Skandal ist die Referentenliste In diesem Zusammenhang verweist Behrens gern auf eine neue Studie des Verfassungsschutzes NRW. Diese Studie wurde ausgerechnet vom ausgewiesenen Linksextremisten und Referenten des NRW-Verfassungsschutzes, Thomas Pfeiffer, verfaßt (JF 16/03). Obwohl dessen extremistisches Umfeld bekannt ist, sieht das Landesamt keinen Anlaß, sich von seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter zu trennen. Weshalb das so ist, wurde spätestens dann klar, als die ersten Einladungen zur Fachtagung „Die Neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie?“ bei ihren Adressaten eintrafen. Veranstalter der Tagung, die am 8. Oktober in Düsseldorf stattfinden soll, ist das NRW-Innenministerium. Ansprechpartner für Fragen inhaltlicher Natur ist ebendieser Thomas Pfeiffer. Im Begleitwort der Einladung äußert der Leiter der Abteilung Verfassungsschutz des Innenministeriums, Hartwig Möller, „der behutsame Duktus“ der „Neuen Rechten“ erfordere eine „besondere Wachsamkeit“. Zu Deutsch: Gerade die Tatsache, daß er nichts Demokratiegefährdendes an der sogenannten „Neuen Rechten“ finden kann, macht sie für ihn erst beobachtungswürdig. Der eigentliche Skandal der Veranstaltung ist allerdings die Referentenliste. Nach dem Eröffnungsvortrag von Kurt Sontheimer, Professor aus München („Die Kontinuität antidemokratischen Denkens: Von der Konservativen Revolution zur Gegenwart“), referiert der Hamburger Professor an der Bundeswehruniversität, Wolfgang Gessenharter, über das Spannungsfeld „Neue Rechte und demokratische Verfassung“. Anschließend spricht Thomas Pfeiffer über „Die Neue Rechte aus Sicht des Verfassungsschutzes NRW“, danach Armin Pfahl-Traughber, Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz über die „Ideologie und Sprache der Neuen Rechten“. Es ist im Rahmen der Tagung ein Workshop zum Thema „Neurechte Einflüsse auf studentische Verbindungen“ geplant (Referenten: Dietrich Heither und Hans-Peter Lüngen). Matthias Weber vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Thomas Grumke halten einen Vortrag über „Internationale Schlaglichter“, gemeint ist damit die politische Rechte in Frankreich und den USA. In Anspielung auf einen Werbespruch der JUNGEN FREIHEIT findet ein Workshop „Jedes Abo eine Konservative Revolution – Publizistik der Neuen Rechten“ statt. Refernet ist hier der Antifa-Journalist Gernot Moderi, der selbst bei dieser Veranstaltung unter seinem Pseudonym „Anton Maegerle“ auftritt. Nach einer Kaffeepause folgt im Zeitplan eine Podiumsdiskussion zum Thema „Die Neue Rechte – eine Gefahr für die Demokratie?“ An der von Wolfgang Kapust vom WDR moderierten Veranstaltung nehmen Uwe Backes von der TU Dresden, der bereits erwähnte Christoph Butterwegge, Gernot Moderi (wieder als „Anton Maegerle“) sowie der Amtschef Hartwig Möller teil. Nicht nur Referent Pfeiffer kann auf eine lebhafte linksextremistische Vergangenheit zurückblicken. Auch Butterwegges Werdegang bietet bedenkliche Einblicke. Der 1951 geborene Leiter der Abteilung Politikwissenschaft der Universität Köln und Mitglied der Forschungsstelle für interkulturelle Studien ist Autor in einschlägigen linksextremistischen Publikationen. Bereits 1987 schrieb Butterwegge für die DKP-nahen Marxistischen Blättern, danach in Der Rechte Rand, außerdem griff Butterwegge auch für das ehemalige FDJ-Organ Junge Welt zur Feder. Zudem ist Butterwegge gleichzeitig Herausgeber, Initiator und Mitautor des Sammelbandes „Themen der Rechten – Themen der Mitte“. Die darin vorgetragenen Thesen publizierte er teilweise auch in Der Rechte Rand („Nationalstolz – nein danke; Die Themen der Nazis sind in der politischen Mitte angekommen“). Ein Blick auf die Publikationsliste von Butterwegge offenbart auch eine enge Zusammenarbeit mit dem „Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung“ (DISS). So sind gleich mehrere Buchtitel erschienen, die gemeinsam mit Mitarbeitern und Autoren des DISS verfaßt wurden. Das DISS ist eng mit dem linksextremistischen GNN Verlag verbunden und unterhält ebenso enge Kontakte zur VVN-BdA. So ist DISS-Mitarbeiter Martin Dietzsch langjähriger Mitherausgeber der im GNN-Verlag erscheinenden Antifaschistischen Nachrichten. Der Herausgeberkreis liest sich wie das Wer ist Wer des bundesdeutschen Linksextremismus. Hierzu gehören beispielsweise die Anarchistische Gruppe/Rätekommunisten (AGR), Jörg Detjen vom Forum kommunistischer Arbeitsgemeinschaften, Regina Girod von der orthodox-kommunistischen Vereinigung Verfolgter des Nazisregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) oder auch die Ex-Bundestagsabgeordnete der PDS, Ulla Jelpke. Butterwegge sucht aber auch den persönlichen Kontakt zur autonomen Antifa. Am 17. Dezember 1998 nahm er als Referent an der von der Hochschulgruppe der inzwischen aufgelösten Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) organisierten Veranstaltung „Rechtsextremismus – Ursachen und Gegenstrategien“ teil. Ferner sprach er am 16. Juni 1999 im Düsseldorfer „Zentrum für Aktion, Kultur und Kommunikation“ (ZAKK) auf einer vom „Antifa-Arbeitskreis an der FH Düsseldorf“ durchgeführten Veranstaltung. Thema des Referates: „Soziale Frage und die extreme Rechte – Marktradikalismus, Standortnationalismus und Wohlstandschauvinismus – Anknüpfungspunkte für Rechts?“ Diese Thesen vertritt er auch auf der Internet-Seite www.mut-gegen-rechte-gewalt.de , einem Gemeinschaftsprojekt der von der ehemaligen Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane (ebenfalls Autorin in Der Rechte Rand) geführten Amadeu Antonio Stiftung und dem Magazin Stern. „Übelste antisozialistische Propaganda“ Referent Dietrich Heither ist ebenfalls kein Unbekannter im extremistischen Milieu. Zum gleichen Thema wie beim NRW-Innenministerium sprach Heither bereits beim weniger zimperlichen Antifa-Fußvolk. So war er Referent bei der Antifaschistischen Hochschulgruppe Jena, die 2001 die Kampagne gegen den Hochschulprofessor und JF-Autor Günter Zehm organisierte. Ferner sprach er beim Antifaschismus-Arbeitskreis des AStA Heidelberg, bei der Rätekommunistisch-anarchistischen Gruppe Freiburg und bei der PDS über studentische Verbindungen. Allein diese Nähe zum linksextremistischen Rand läßt an einer wissenschaftlich notwendigen Distanz zum Thema zweifeln. Gernot Moderi ist sozusagen die „Spinne im Netz“ des linksextremistischen Zitierkartells. Die Spannbreite der Medien, in denen er vertreten ist, reicht von der Fernsehsendung Panorama und dem Magazin Stern über den sozialdemokratischen Blick nach rechts bis zu ausgewiesen linksextremistischen Publikationen wie den Antifaschistischen Nachrichten, dem Rechten Rand und der Hamburger Zeitschrift Konkret. Über Konkret schreibt der Verfassungsschutzbericht des Bundes für das Jahr 1998, es sei „das bedeutendste Blatt des ‚antideutschen‘ und ‚antinationalen‘ Linksextremismus“. Die Zeitschrift bemühe sich um den Nachweis, daß nahezu allen politischen Ereignissen in Deutschland letztlich faschistische Wurzeln und Motive zugrunde lägen. Im Mittelpunkt stehe dabei die Vorstellung, daß die vereinigte Bundesrepublik in direkter Kontinuität zum Dritten Reich stehe und gesetzmäßig auf einen Dritten Weltkrieg zusteuere. Politische Gegner des Magazins werden meist als „Nazis“ diffamiert. Im linksradikalen Milieu ist Moderi fest verankert. So verfaßte er 1992 einen diffamierenden Artikel gegen die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM). Der anerkannten Menschenrechtsvereinigung wird unter anderem von Moderi „übelste antisozialistische Propaganda“ vorgeworfen. Moderi referierte zum gleichen Thema wie auf der Tagung des Düsseldorfer Innenministeriums bereits beim Antifaschistischen Bildungs- Informations- und Dokumentationszentrum Nürnberg. Dort traten neben Moderi auch Andreas Speit, ständiger Autor in Der Rechte Rand, sowie Volkmar Wölk (Pseudonym: Jean Cremet) auf. Moderi erstellte im Vorfeld der Bundestagswahl 2002 einen Beitrag für eine Panorama-Sendung mit dem Titel „Rechtsradikale in der CDU“. Diese Sendung richtete sich insbesondere gegen den brandenburgischen Innenminister Jörg Schönbohm und das CDU-nahe Studienzentrum Weikersheim. Auch der Bonner Politikwissenschaftler Hans-Helmuth Knütter wurde in diesem Beitrag als rechtsradikal diffamiert – diese Steilvorlage nahm wiederum der Verfassungsschutz NRW auf und nannte Knütter aufgrund dieser Sequenz in seinem diesjährigen VS-Bericht. Eine weitere Panorama-Sendung hetzte in einem von Moderi erstellten Sendebeitrag kurz vor der hessischen Landtagswahl 2003 unter dem Titel „Tabubruch mit Vorsatz. Die miesen Inszenierungen des Roland Koch“ gegen den hessischen Ministerpräsidenten. Auch der Referent Wolfgang Gessenharter geht alles andere als unvoreingenommen an die Thematik heran, obwohl es seine Beschäftigung an der Hamburger Universität der Bundeswehr eigentlich vermuten ließe. In seinem 1994 erschienen Buch „Kippt die Republik? Die Neue Rechte und ihre Unterstützung durch Politik und Medien“ rückt Gessenharter, auch CDU-Politiker wie Steffen Heitmann in die Nähe rechtsextremistischer Positionen. Der Referent Thomas Grumke scheint seine Vorträge öfters zu verwerten. So schrieb er bereits zum selben Thema im Blick nach Rechts. Selbst der Moderator der Podiumsdiskussion, Wolfgang Kapust, ist kein unbeschriebenes Blatt. Auch er gehört zum Autorenkreis des linksextremistischen Magazins Der Rechts Rand. Die „Neue Rechte“ bedrohe das Grundgesetz Diese Ansammlung von Linksextremisten werden vom Amtschef Möller verharmlosend als „Vertreter aus Wissenschaft, Medien, Bildung und Verfassungsschutz“ bezeichnet. Er stellt weiter die rhetorische Frage, ob die „Neue Rechte“ „das Wertegerüst des Grundgesetzes“ bedrohe. Allerdings scheint das Hauptziel dieser Veranstaltung ziemlich klar: Der schwammige Begriff „Neue Rechte“, dem von den meisten Landesverfassungsschutzämtern überhaupt eine verfassungsschutzrelevante Rolle abgesprochen wird, soll pseudowissenschaftlich untermauert werden. Die Gleichsetzung von Gewalttätern mit rechten Intellektuellen, wie sie Behrens in der Agenturmeldung bereits vornahm, spricht hierbei Bände. Kaum einem Oppositionspolitiker in Nordrhein-Westfalen ist bislang etwas von der geplanten Tagung bekannt, obwohl auch die CDU aller Voraussicht nach ins Visier der Vortragsgäste des NRW-Innenministers geraten wird. Allerdings regt sich in den Reihen der Union und der FDP bereits Unmut über die Veranstaltung. Innenminister Behrens wird sich auf unangenehme Fragen gefaßt machen müssen. Denn leicht könnte sich das Motto der Tagung gegen die Veranstalter selbst richten und die Frage aufwerfen, ob der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz nicht selbst eine „Gefahr für die Demokratie“ ist.
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