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Von der jungen Wilden zur komischen Alten

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Von der jungen Wilden zur komischen Alten

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Die Nachricht, daß die PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt, Jahrgang 1971, in ihren Jugendjahren als Informantin für die Stasi gearbeitet habe, ist zur Hälfte eine Überraschung. Zwar haben viele Angehörige der PDS-Fraktion ein besonderes Verhältnis zum Mielke-Ministerium gepflegt, doch Marquardt, die sich penetrant aufmüpfig gibt und sogar die alten, grauen Männer und Stasi-Seilschaften in ihrer Partei attackierte, hatte man schon aufgrund ihres Alters für unbelastet gehalten. Angela Marquardt war erst 15, als sie ihre Verpflichtungserklärung unterschrieb. Sie ist selber ein Opfer: das Opfer eines amoralischen Staates, der Kinder und Jugendliche für Spitzeldienste rekrutierte. Sie ist auch ein Opfer ihres Elternhauses und ihres sozialen Umfeldes. Ihre Mutter, ihr Stiefvater und deren gesamter Freundeskreis waren inoffizielle Stasi-Mitarbeiter. Sie haben, statt die staatliche Indoktrination ihrer Tochter zu mildern, diese noch verstärkt. Es ist nachvollziehbar, daß eine Jugendliche so in eine ausweglose Lage gerät und sich ihre moralischen Maßstäbe verschieben. Angela Marquardt hat die DDR schauerlicher erlebt als die meisten ihres Alters. Nachsichtiges Mitleid wäre ihr sicher, wenn sie sich seit 1989/90 bemüht hätte, leibhaftig aus diesem Dunstkreis herauszukommen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie hat bewußt Karriere bei den SED-Nachfolgern gemacht, sie hat sich innerhalb und außerhalb ihrer Partei als unverstellte Stimme der „jungen Ostdeutschen“ hofieren lassen und unter Berufung auf eine höhere, „antifaschistische“ Moral altvertraute Haßpropaganda verbreitet und zudem als Scharnier zur gewalttätigen, linksautonomen Szene fungiert. Natürlich versucht die PDS, ihre Stasi-Mitarbeit als typische Station der Jugendsozialisation in der DDR darzustellen, wie das bereits im Fall des gleichaltrigen Stefan Liebich, heute Landesvorsitzender der Berliner PDS, gelungen ist. Auch Liebich hatte als Schüler mit der Spitzeltätigkeit angefangen. Journalistenfragen beantwortet er professionell – unterlegt mit einem smarten Lächeln – nach dem Muster: „So war das damals eben – bei uns!“ Und die Fernsehmoderatoren (West) nicken verständnisvoll dazu. So war es eben nicht! Auch die Jugendlichen in der DDR hatten klare Schamgrenzen, weil ihre ganz überwiegend verantwortungsvollen Eltern, Lehrer, Erzieher sie von klein auf darüber aufgeklärt hatten, daß man „nicht petzt“. Die Wahrheit ist, daß die jungen Leute, die von der PDS in die erste Reihe gestellt werden, überwiegend eine moralische Negativ-Auslese darstellen. Fast alle jüngeren PDS-Führungskräfte sind – meistens aus familiären Gründen – mit dem DDR-Staat viel enger verbunden gewesen als alle ihre Altersgefährten. Angela Marquardt wollte schon als Zehnjährige Sportoffizier der NVA werden, mit 14 oder 15 Jahren gehörte sie einem „Berufsoffiziers-Bewerberkollektiv“ an. Das klingt seltsam, zeigt anderseits aber, daß sie einen eigenen Kopf und Spaß an der Rollenverletztung hatte. Man darf annehmen, daß sie unter dem extremen Opportunismus ihrer Eltern gelitten hat. Als diese 1987 aus Greifswald in das über 200 Kilometer entfernte Frankfurt/Oder verzogen, blieb sie in Greifswald zurück und kam in einem Internat unter. Der Vormund, den die Eltern für sie bestimmten, war wiederum ein IM. Gewiß hat sie sich schon damals, ganz gewiß aber während und nach der „Wende“, politisch und menschlich mißbraucht gefühlt. Ihr Abtauchen in die Hausbesetzerszene, in die gelebte Anarchie, war ein Reflex auf die Überangepaßtheit ihrer Eltern und den autoritäten Staat und ein Versuch, sich endgültig von ihnen abzunabeln. Der Versuch aber auch, in dieser Szene die vermißte Nestwärme zu finden. Verbindungsfrau der PDS zu Autonomen und Antifas In der PDS hat sie vor allem als Verbindungsfrau zu den Autonomen und als Wortführerin eines rüden „Antifaschismus“ von sich reden gemacht. Sie ließ schon mal durchblicken, daß sie darunter etwas durchaus Handfestes, Schlagkräftiges verstand. Ihre Äußerungen sind sehr primitiv, sie spiegeln keinerlei bewußte politische Entscheidungen wider, sondern eine pubertäre Mischung aus Indoktrination, Verdrängung und Kompensation. Ihre Behauptungen, sie habe sich an ihre Stasi-Kontakte bis jetzt gar nicht erinnern können, sind völlig unglaubwürdig. Als sie 1998 in den Bundestag einzog, hat sie keine Stasi-Überprüfung beantragt, obwohl andere, unbelastete PDS-Politiker das geradezu als Ehrensache ansahen. Ihre Flucht in den militanten „Antifaschismus“ war folgerichtig. In der DDR war er eine doktrinär verkündete, wegen seiner Eingängigkeit durchaus massenwirksame Staatsreligion. Wie jede Religion hatte auch diese ihre Ketzer, die sie im Prinzip zwar bejahten, aber sich dadurch provoziert fühlten, daß allein die Parteiführung bestimmte, wie sie praktiziert werden durfte: durch Konformismus nämlich. Marquardt war nach 1989 weder willens noch imstande, dieses ideologische Fundament zu verlassen. Den Protest gegen die Welt ihrer Eltern drückte sie dadurch aus, daß sie die von ihnen verratenen „Ideale“ der DDR nun „richtig“, „persönlich“, „freiheitlich“ auslebte. Die Aggressivität, die sie dabei entwickelte, hatte wenig mit den realen „Faschos“, viel aber mit ihrem eigenen, überkommenen Haß und Selbsthaß zu tun. Es ist eine Ironie der Geschichte, daß das kleine FDJ- und IM-Biest, zu dem die DDR sie machen wollte, sich nach dem Zusammenbruch des Staates erst tatsächlich vollendete. Der „Fall“ Angela Marquardt ist auch eine persönliche Tragödie. Im Grunde ist sie eine unscheinbare, nicht sehr kluge Person. Ihre Schulnoten waren so schlecht, daß sie für ein Studium gar nicht Frage kam. Selbst die Stasi wagte es nicht, ihr gleich nach dem Abitur einen Platz an einer Universität zu verschaffen. Noch als wildes Mädchen mit der Pun-kerfrisur wäre sie nicht weiter aufgefallen, erst in Verbindung mit ihrer PDS-Karriere wurde sie zum öffentlichen Ereignis. Die deutsche Medienindustrie war zeitweise süchtig nach ihr, die dümmliche Autobiographie „Was ich bin, was mir stinkt, was ich will“ (1999) wurde sogar von bürgerlichen Zeitungen ehrfürchtig besprochen. Der Blick auf ihre Internetseite erweckt Mitleid und evoziert die Frage, ob man nicht endlich einen Intelligenztest und einen intellektuellen Mindeststandard für Abgeordnete festlegen sollte. Unter dem Stichwort „Kultur“ schreibt die Bundestagsabgeordnete, die auch im Medienausschuß sitzt: „Mich verbindet kulturell mehr mit einem Hippie aus Jamaika oder einem Punker aus San Francisco als mit einem Banker aus Hannover oder Oma Schmitz aus Wilmersdorf. Die Punk-Kultur z.B. ist weltweit ähnlich und eher einheitlich als eine angeblich deutsche Kultur, die es gar nicht gibt.“ Und zur Nation: „Es war der Nationalsozialismus, der die Einheit der Deutschen beschwor und damit auch die Gewerkschaften und Arbeiterorganisationen zerschlug. Deshalb unterstützte das Kapital auch den Faschismus. Die Nation verkleistert die Widersprüche in der eigenen Gesellschaft und beschwört eine Gesinnungsgemeinschaft.“ Angela Marquardt hat ihren medialen Charme bisher daraus bezogen, daß sie wie ein bunter Vogel wirkte, der eher fortfliegen würde, als sich in den Käfig der Parteidisziplin sperren zu lassen. Was sie jetzt aber von sich gibt: „Nicht wissentlich! Nicht willentlich! Nicht erinnerlich!“, ist die altbekannte, verschämte, beleidigte Biederkeit. Eine einzige Enttäuschung! Die PDS ist tatsächlich die Partei, die zu ihr paßt. Zeitweise war Marquardt sogar stellvertretenden Parteivorsitzende, aber zu keinem Zeitpunkt war sie mehr als die Schachfigur innerhalb eines eiskalten Parteikalküls. Den hochintelligenten PDS-Strategen Brie, Bartsch, Bisky und Gysi war klar, daß es sich bei ihr um ein armes Würstchen handelte. Durch sie aber ließen sich die Sympathien einer diffus-linken Protestszene auf die eigenen Mühlen leiten, und die bunten Punkerhaare konnten, solange die Wahlkämpfe dauerten, das alte Genossengrau vergessen machen. 1994, als durchaus unklar war, ob die PDS wieder in den Bundestag einziehen würde, und die Existenz der Partei auf dem Spiel stand, ging dieses Kalkül voll auf. Ihr Auftreten im Bundestag wirkt peinlich und lächerlich Die Wahlkampagne der PDS 1994 war eine atemberaubende Mischung aus nostalgischem Appell, windschnittiger, erotisch aufgeladener Ästhetik und Subkultur. Herausragend war das Plakat mit einem eng umschlungenen, jungen Pärchen und der Aufschrift: „Das erste Mal – PDS“. Vor allem aber Angela Marquardt galt als Symbol des „Jungen, Zeitgeistigen, das die PDS eben auch ausmacht“, wie ein Beobachter der Frankfurter Rundschau damals meinte. Mit ihr schien sich etwas Neues anzukündigen, das auch die politische Szene des Westens bereichern würde. Seit 1998 sitzt sie selber im Bundestag, in dessen Politikbetrieb sie weitgehend untergegangen ist. Ihre Schnoddrigkeit wirkt im „Hohen Haus“ peinlich, ihre Haartracht wie von vorgestern und entsprechend lächerlich. Aus der jungen Wilden ist im Grunde eine komische Alte geworden. Die wichtigen Reden werden nicht von ihr, sondern von der biederen Petra Pau verlesen, einer ehemalige Pionierleiterin, die sich im Wahlkampf in ihrem Wohnzimmer vor der sozialistischen Anbaureihe fotografieren läßt. Von Pau oder dem smarten Liebich, der seine Lehrjahre bei IBM absolviert hat, sind keine spontanen, peinlichen Ausbrüche zu befürchten. 1995 hat Angela Marquardt ein Studium der Politikwissenschaft aufgenommen, das sie, inzwischen fast 31jährig, noch immer nicht abgeschlossen hat. Ihre Zukunft glaubt man zu kennen: Sie wird sich in zwielichtigen Organisationen tummeln, Plakate im Plenum entrollen, die Regierung mit dümmlichen Anfragen nerven, vor dem Faschismus warnen, eine zweite Ulla Jelp-ke werden und sich das alles mit Diäten in fünfstelliger Höhe entlohnen lassen: Eine Galionsfigur des parlamentarischen Lumpenproletariats. Gerade hat die PDS angeboten, nach der nächsten Bundestagswahl – wenn nötig – Rot-Grün zur Mehrheit zu verhelfen. Eine Fundamentalistin Marquardt würde nur dabei stören. Es mutet merkwürdig an, daß man erst jetzt auf den Gedanken gekommen ist, eine mögliche Stasi-Belastung zu überprüfen. Denn daß ihre Eltern IMs waren, war allgemein bekannt. Die Tatsache, daß die Stasi häufig versuchte, diese Tätigkeit auch auf deren Kinder auszudehnen, ebenfalls. Im Augenblick muß das alles Spekulation bleiben. Fest steht aber schon soviel: Angela Marquardt hat Freund und Feind gleichermaßen enttäuscht!

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