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Putins Überflug

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Zufall oder raffinierte Absicht? Zur gleichen Zeit, da George W. Bush seine Zitterpartie ums Weiße Haus beenden konnte, tauchte im US-Luftraum Wladimir Putin an Bord des Moskauer Regierungsjets "Rossija" (Rußland) auf – ohne allerdings amerikanischen Boden zu berühren.

Putin hatte die US-Präsidentschaftswirren flugs dazu benutzt, um Kubas Fidel Castro einen Besuch abzustatten – und anschließend flog er, über die Köpfe von Bush, Gore & Co. hinweg, nach Kanada, um dort seinen Gastgebern das US-Raketenabwehrprogramm auszureden.

Gewiß – man könnte sagen: Rußland ist immer noch schwach, Castro ist alt – und Kanada im Vergleich zu seinem südlichen Nachbarn sicher keine Großmacht. Aber die Symbolik sollte nachdenklich stimmen: Rußland nutzt ein Schwächezeichen der Supermacht USA (gewiß war das Hickhack um die Präsidentschaft ein solches), um sofort "Flagge zu zeigen" – und zwar in der westlichen Hemisphäre (Monroe-Doktrin!). Es ist, als wollte Moskau den Amerikanern zu verstehen geben: Wenn ihr in unserem Hühnerhof (Baltikum, Kaukasus, Zentralasien) aktiv seid, werden wir uns in eurem Hühnerhof revanchieren. Einstweilen nur symbolisch – aber der russische Fuß bleibt weiter in der Tür.

Es bleibt zu hoffen, daß die alten Füchse der neuen Bush-Mannschaft – etwa Vizepräsident Dick Cheney (unter Bush senior Verteidigungsminister) und der designierte Außenminister Colin Powell (Generalstabschef der US-Streitkräfte im Irak-Krieg) dem neuen Präsidenten das nötige "Problembewußtsein" für außenpolitische Stolpersteine einimpfen.

Auf den ersten Blick mag erscheinen, daß der konservative Republikaner Bush – den man nach EU-Maßstäben als "Mitte rechts" einstufen müßte – seine Verbeugung vor dem Zeitgeist und den Medien machen muß. So behaupten böse Zungen, die von ihm auf den Posten den nationalen Sicherheitsberaterin nominierte Stanford-Dozentin Condoleezza Rice hätte ihren Posten nur erhalten, weil sie eine Frau und farbig sei. Erst bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß sie eine hochkarätige Expertin ist: Sie hat bei der deutschen Wiedervereinigung im Hintergrund eine wichtige Rolle gespielt und vor allem den Sowjets in der baltischen Frage – wo Kohl bereits nachgeben wollte – die Zähne gezeigt.

Die frischgebackene Sicherheitsberaterin gab zum Einstand gleich eine überaus optimistische Bewertung der Lage: Außenpolitisch sei es Amerika noch nie so gut gegangen wie jetzt. Überall auf der Welt befänden sich Demokratie und Menschenrechte auf dem Siegeszug. In Wirklichkeit ist auch in der postkommunistischen Welt so gut wie nichts wirklich sicher. Im Nahen Osten brodelt es, auf dem Balkan (von wo Bush die US-Truppen abziehen will) wird bereits wieder geschossen. Die Frage der Nato-Osterweiterung hängt trotz gegenteiliger Beteuerungen in der Luft – vermutlich, weil gewisse Nato-Mitglieder diskret Sabotage üben. China wächst als möglicher Weltmacht-Rivale der USA heran. Rußlands Position ist undefiniert. Putin versucht bereits, die Europäer gegen die USA auszuspielen.

In gewisser Hinsicht ist es positiv, daß in Washington die linksliberale Clinton-Administration abgelöst wird. Auf Powell und Cheney kann man Hoffnungen setzen. Aber der neue Präsident muß das Kunststück fertigbringen, seine durch die Wahlprozedur manifest gewordene Schwäche zu überwinden. Die idyllischen Tage von Texas sind vorbei. Gerade in der Außenpolitik werden ihm Schwäche und Zaudern nicht verziehen.

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