REGENSBURG. In der römisch-katholischen Kirche in Deutschland zieht der Streit um ein Papier „der deutschen Bischöfe“ zur „Sichtbarkeit und Anerkennung der Vielfalt sexueller Identitäten in der Schule“ immer weitere Kreise. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer distanzierte sich am Wochenende mit deutlichen Worten von dem Dokument.
„Es wird eine politische Agenda durchgezogen auf Teufel komm raus“, kritisierte der 66jährige laut Katholischer Nachrichtenagentur. „Ich möchte nicht in 30 Jahren hören, daß die katholische Kirche auch hier wieder mitgemacht hat.“ Damit schloß sich Voderholzer der Kritik des Passauer Bischofs Stefan Oster an. Auch das Bistum Köln unter Rainer Maria Kardinal Woelki stellte sich hinter Osters Analyse.

Bischof Oster kritisiert „Menschenbild der Vielfalt“
Oster hatte am Montag vergangener Woche eine ausführliche Stellungnahme zu dem Papier veröffentlicht, das von der „Kommission für Erziehung und Schule“ der deutschen Bischofskonferenz verantwortet wird. Oster warf den Autoren vor, „ein Menschenbild der Vielfalt“ vorauszusetzen, „das insinuiert, daß in jungen Menschen ihre sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten wie naturhaft zugrunde lägen – und daß es dann auch im Schulkontext vor allem darum gehe, diese zu entdecken und in gelingender Weise zur guten Entfaltung zu bringen“.
„Kein Wort“ finde sich dagegen „von dem viel umfassenderen Verständnis von Identität aus christlicher Sicht“. Nur sehr wenige Bemerkungen gebe es zur Lehre der Kirche und diese würden dann „in einer Weise problematisiert, daß klar ist, daß sie im Grunde nicht für diesen Dienst taugen, sondern den Prozeß zur Identitätsfindung eher mit dem Verdacht belegen, diesen zu behindern, statt zu befördern“.
„Gott will nicht, daß Du bleibst, wie Du bist“
Laut dem Papier sei „jede Diversität im Blick auf sexuelle Orientierung und sexuelle Identität schon gottgewollt“, meint Oster. Der Text suggeriere mit nahezu jeder Zeile „eine Überdosis eines gefühlsbeladenen Superdogmas: ‘Gott hat alle genau so lieb, wie sie sind‘.“ Daher dürfe dann „auch keiner in seiner Diversität kritisch angefragt werden, das wäre ja schon Diskriminierung“.
Oster stellt dem ein anderes Gottesverständnis gegenüber: „Ja, Gott liebt Dich wie Du bist – aber er will nicht, daß Du bleibst, wie Du bist. Er will, daß Du durch Seine Gnade Christus ähnlicher wirst.“ Erschreckend findet der Passauer Bischof zudem, daß der Text „durchgehend einen affirmativen Grundton im Blick auf trans Jugendliche“ anschlage.
Kritik am „katholischen Lehramt“
Das Papier der Schulkommission umfaßt insgesamt knapp 50 Seiten. Es soll „in erster Linie dazu dienen, die Entwicklung einer verantwortungsvollen schulischen Praxis zu unterstützen“, wie der verantwortliche Dresdner Bischof Heinrich Timmerevers, Vorsitzender der Schulkommission der Bischofskonferenz, im Geleitwort schreibt. Dabei bedient es sich durchgehend einer modernen Rhetorik der Vielfalt, spricht etwa von „queeren Personen“, „queerfeindlichen Vorurteilen“ und einer „queeren sexuellen Identität“.
Es betont, daß „Vorbehalte“ des „kirchlichen Lehramtes“ gegenüber der Lebensführung „queerer“ Menschen „im Lichte humanwissenschaftlicher wie theologisch-anthropologischer Erwägungen angefragt“ würden. „Die Sexualmoral der Kirche“ soll daher als „umstritten“ dargestellt werden.
Lehrer sollen sich outen und so Vorbilder werden
Das Dokument lobt Lehrkräfte, die sich auch an katholischen Schulen „in ihrer queeren sexuellen Identität sichtbar“ machten und damit „die für queere Jugendliche wichtige Funktion als ‘role models‘“ erfüllten. Es fordert außerdem zur Verwendung einer „geschlechtergerechten Sprache“ auf. Religionslehrkräfte sollen „mit Akzeptanz“ über „queere Personen“ sprechen.
Laut dem katholischen Portal Communio war das Schreiben unter den deutschen Bischöfen im Sommer umstritten. Der Ständige Rat der Bischofskonferenz hatte es demnach an die Schulkommission zurückverwiesen. Diese sollte Änderungsvorschläge einarbeiten. Demnach kam es allerdings nur zu kleineren Anpassungen. Trotzdem trägt das Papier den Schriftzug: „Die deutschen Bischöfe“. (ser)






